Friedrich Torberg im Jahre 1978. Foto: Erwin H. Aglas, oepb
Friedrich Torberg im Jahre 1978. Foto: © oepb / Erwin H. Aglas

Friedrich Torberg (* 16. September 1908, † 10. November 1979) galt hierzulande nicht nur als großer Kaffeehausliterat, Drehbuchautor, Feuilletonist, Journalist und Publizist, es ist weiters bekannt, dass er neben dem von ihm so herrlich verfassten Gedicht über Matthias Sindelar / Auf den Tod eines Fußballspielers im Jahre 1939 auch als unauslöschlicher Anhänger des FK Austria Wien galt. Seine Gedanken über dieses Dasein und jenen Ist-Zustand brachte er in der für ihn so typisch wunderbaren Art und Weise zu Papier, welche wir hier einfach detailgetreu und somit für die Nachwelt bewahrend  wiedergeben möchten.

Die Qual, ein AUSTRIA-Anhänger zu sein

(von Friedrich Torberg, 1971)
 Friedrich Torberg vor seinem "zweiten Büro", dem Cafe Herrenhof in Wien I. Foto: Erwin H. Aglas, oepb
Friedrich Torberg vor seinem “zweiten Büro”, dem Cafe Herrenhof in Wien I. Foto: © oepb / Erwin H. Aglas

Zuerst ein Geständnis: Ich bin gar kein „echter“ Austria-Anhänger. Das will heißen: Ich war es nicht von Haus aus und nicht von Kindesbeinen an. Ein „echter“ Anhänger muss, soweit er zurückdenken kann, immer überzeugt gewesen sein, dass seine Mannschaft die beste ist, dass man für keine andere „drucken“ (Anm.: die Daumen) kann, dass alle anderen Mannschaften, zumindest alle inländischen, aus elf ausgewachsenen Krens bestehen, dass alle Schiedsrichter vom jeweiligen Gegner bestochen und die Anhänger aller übrigen Klubs komplette Idioten sind.

Diese unerlässlichen Voraussetzungen einer echten Anhängerschaft sind also bei mir in Bezug auf die Austria nicht gegeben. Ich war in der Zeit meiner eigenen Aktivität und noch beträchtlich darüber hinaus, mit der „Hakoah“ verbunden, und wer sich an diese (1938 grausam zu Ende gegangene) Zeit noch erinnert, wird wissen, dass es keine größere Rivalität, keine feindseligere Gegensätzlichkeit gab als die zwischen Hakoah und Austria (schon als sie noch auf den Namen „Amateure“ hörte). Es gab unter den Wiener Vereinsfarben keine zwei, die sich so heftig miteinander geschlagen hätten, wie blau und violett. Aber schon damals, ungefähr seit 1925, als die Hakoah zum ersten- und letzten Mal österreichischer Meister wurde, war mir insgeheim klar, dass die Austria den besseren Fußball spielte, dass sie das Idealbild dessen darstellte, was in der Fußballwelt als „Wiener Schule“ bekannt und berühmt war. Die damalige Mannschaft – mit Karl Sesta, Walter Nausch, Johann Mock, Karl Gall, Josef Stroh, Camillo Jerusalem, Matthias Sindelar – hat nie wieder ihresgleichen gefunden, und Sindelar ist für mich bis heute das größte Fußballgenie aller Zeiten geblieben. Einer meiner Freunde, im Nebenberuf Theaternarr, pflegte vor jedem Matchbesuch zu sagen: er gehe ins Stadion, um zu sehen, wie Sindelar heute die Rolle des Mittelstürmers auffasst. Und die großen, im Stadion erfochtenen Mitropacup-Siege der Austria werden mir unvergesslich bleiben. Bei solchen Gelegenheiten durfte man ja auch als Hakoahner mit gutem Gewissen für Austria „drucken“. Ich tat es ausgiebig und leidenschaftlich.

Als ich aus der Emigration zurückkam, gab es keine Hakoah mehr. Und gerade in Erinnerung an die einstige extreme Gegnerschaft, gerade weil Gegensätze einander berühren und anziehen, wurde ich Anhänger der Austria. Sie hat es mir damals nicht schwer gemacht. Sie war, so um 1950 herum, mit dem großartigen Ernst Ocwirk als Dirigenten, mit der Stürmerreihe – damals gab es noch Stürmerreihen – Lukas Aurednik, Adolf Huber, Ernst Stojaspal, Fritz Kominek, Ernst Melchior I, mit Karl Stotz und Dr. Walter Schleger und all den anderen immer noch der klassische Repräsentant des Wiener Fußballs und vor allem des wienerischen Schmähs. Auch was nachkam und sich seither in alle Winde zerstreut hat, konnte sich noch sehen lassen. Es lässt sich ja auch sehen, allerdings bei anderen Vereinen: Johann Ettmayer und Heinz Binder, Horst Hirnschrodt und Karl Kodat. Nicht zu vergessen die vorzeitig abgefallenen Talente wie Horst Nemec und Alfred Gager. Nicht zu vergessen den in jeder Hinsicht farbigen Brasilianer Jacaré. Auch damals gab es noch fußballerische Sternstunden, auch damals war es manchmal noch ein stolzes Gefühl, Austria-Anhänger zu sein.

 Als leidenschaftlichen Austria-Anhänger traf man Friedrich Torberg immer dann im Wiener Stadion, oder eben hier am Horr-Platz zu Wien-Favoriten an, wenn die Veilchen geigten. Foto: Erwin H. Aglas, oepb
Als leidenschaftlichen Austria-Anhänger traf man Friedrich Torberg immer dann im Wiener Stadion, oder eben hier am Horr-Platz zu Wien-Favoriten an, wenn die Veilchen geigten. Foto: © oepb / Erwin H. Aglas

Und heute? Ach ja. Dann und wann blitzt in einem technischen Kunststück Ernst Fialas, in einem überraschenden Querpass Josef Hickersbergers, in einem intelligenten Vorstoß Robert Saras, in einem sei´s auch überflüssigen Scheiberspiel noch etwas von der alten Herrlichkeit auf. Aber weit öfter muss man dieser Herrlichkeit nachtrauern, weit öfter muss man sich über den mangelnden Einsatz der Alten, die Überheblichkeit der Jungen und die Systemlosigkeit der ganzen Mannschaft ärgern. Dabei könnte sie ganz gut, wenn sie wollte. Am Talent fehlt´s gewiss nicht Nur am Einsatz. Es ist zum Verzweifeln. Manchmal frage ich mich, warum ich mich dieser Qual immer wieder aussetze, warum ich überhaupt noch ein Austria-Anhänger bin.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Ein Austria-Anhänger ist, wer es trotzdem bleibt. Mir scheint, ich bin doch ein echter Austria-Anhänger.

Über Friedrich Torberg

Als Friedrich Torberg am 10. November 1979 in Wien verstarb, war seine Wiener Austria nicht nur regierender Meister Österreichs, sondern hatte weitere zwei Saisonen in Serie auf Platz 1 die Nase vorne. Der Stern Herbert Prohaskas war aufgegangen und die glorreichen 1980er Jahre standen an. Torberg hätte mit diesem Team seine helle Freude gehabt.

Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky meinte in seiner Grabrede am 19. November 1979: „Er war verwurzelt in der Welt von gestern, aber er hat ein großes Stück hinübergerettet in die Welt von heute und er hat für uns ein Erbe verwaltet, das nicht vertan werden sollte.” Friedrich Torberg fand am jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs, direkt neben Arthur Schnitzler, seine letzte Ruhestätte.

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