Das Wahrzeichen Österreichs, der Wiener Stephansdom, stand kurz vor Weltkriegsende lichterloh in Flammen und am 12. April 1945 stürzte unter tosendem Krach die größte Glocke, die Pummerin, zu Boden und zerbrach. Foto: Lichtbildstelle der Stadt Wien

Im April 1945 tobte der „Kampf um Wien“. Das nationalsozialistische Regime steuerte im Zweiten Weltkrieg auf seinen direkten Untergang zu, nicht jedoch ohne vorher noch allerorts zahlreiche „Verbrannte Erde“ zu hinterlassen. Die Deutsche Wehrmacht war seit der verloren gegangenen Schlacht um Stalingrad Ende Jänner 1943 überall auf dem Rückzug und die alliierten Streitkräfte standen nicht nur bereits vor der Reichshauptstadt Berlin, auch „Die Schlacht um Wien“ war voll entbrannt.

Direkt hinein in diese anstehenden Kämpfe trat der österreichische Offizier Major Carl Szokoll auf den Plan, der Wien zur „Offenen Stadt“ erklären wollte, um diese ohne weiteres sinnloses Blutvergießen direkt an die Russen und deren „Rote Armee“ zu übergeben. Dem gegenüber stand sein geleisteter Fahnen-Eid auf „Führer, Volk und Vaterland“, den er einst in gutem Glauben auf das NS-Regime geschworen hatte. Die Überlegungen über den „Wert und den Unwert des Soldateneides“ schienen aus Sicht von Major Carl Szokoll im Jahre 1945 überschaubar, er fühlte sich seinem abgelegten Treue-Eid nicht mehr verpflichtet.

Die Nacht vom 11. auf den 12. April 1945

Der Wiener Stephansdom, das Wahrzeichen Österreichs schlechthin, hatte bisher den Zweiten Weltkrieg relativ schadlos überstanden. Dennoch entkam auch der prächtige Dom der Katastrophe nicht. Nach einem von insgesamt 53 geflogenen Luftangriffen auf Wien legten Horden von Plünderern Brände in den ausgebombten Warenhäusern rund um den Stephansplatz, und das nur, um die eigenen Spuren zu verwischen. Kurz davor bekam der Stephansdom 9 Treffer, entstanden aus Batteriefeuer-Beschuss ab.

Der Innenraum des Domes war kalt und durch die Einschusslöcher hindurch sog er wie ein Blasebalg die heiß gewordene Luft des Feuers von außen ein. Und mit der Luft auch die Funken und die wild um sich schlagende Feuersbrunst. Die Flammen schlugen rasch um sich und griffen das 500 Jahre alte Lärchenholz an. Das Dachgestühl begann zu brennen und binnen kürzester Zeit stand der ganze Dom in Flammen.

In der Nacht vom 11. auf den 12. April 1945 verbrannte der mittelalterliche Dachstuhl des Domes vollständig. Und auch die Glocke Pummerin, die im Volksmund gerne als „Die Stimme Österreichs“ bezeichnet wurde, stürzte lautstark in die Tiefe und zerschellte in der Vorhalle des Südturms.

Am 13. April 1945, St. Stephan brannte lichterloh, zerschlug eine Stützmauer das Gewölbe des südlichen Seitenchores und einen Teil des Gewölbe des Mittelchores. Um 14 Uhr des gleichen Tages war „Die Schlacht um Wien“, die am 5. April 1945, Schlag 8 Uhr begonnen hatte, beendet.

Nichtsdestotrotz überstand der “Steffl” – hier im April 2020 – sämtliche Bomben und Stürme … und das seit bald 900 Jahren. Foto: © oepb

Die Geburt einer Glocke

Am 21. Juli 1711 führte der k. k. Stückgießer Johann Achamer vor großem Publikum den Guss der großen Glocke von St. Stephan durch. Das dazu erforderliche Metall erhielt er aus den Beständen des kaiserlichen Zeughauses von erbeuteten türkischen Kanonen anhand der siegreich überstandenen zweiten Türkenbelagerung von 1683.

Nach Pölzung und Abstützung der unterirdischen Gewölbe unter den Straßenzügen, wurde die 17 Tonnen schwere Glocke am 29. Oktober 1711 auf einem speziellen Wagen von 200 kräftigen Wienern aus der Leopoldstadt – heutiger 2. Wiener Gemeindebezirk – zum Dom verfrachtet.

Am 15. Dezember des gleichen Jahres nahm Bischof Franz Ferdinand Freiherr von Rummel die Glockenweihe vor, danach wurde diese in den Südturm aufgezogen.

Dort ruhte sie auf zwei Eichenbalken. Als Karl VI. nach seiner Kaiserkrönung am 26. Jänner 1712 feierlich in Wien einzog, erklang die Pummerin zum allerersten Mal, wobei lediglich der 813 kg schwere Klöppel bewegt wurde. Die „alte“ Pummerin sollte 233 Jahre lang, bis eben zum 12. April 1945 hin, treu ergeben ihren Dienst versehen.

Die Pummerin und die damit einhergehende Ausstellung im Landesmuseum Linz lockte in sieben Monaten 50.000 Besucher an. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge gaben die Linzerinnen und Linzer „ihre“ Glocke für Wien her. Foto: ÖNB

Die Tochter lebt in der Mutter weiter

Ihre Tochter, wenn man so will, wurde 1951 aus den Resten, um nicht zu sagen, aus den Trümmern der ersten Glocke gegossen. Kaum war mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg beendet, wurde emsig begonnen, Österreich allerorts wieder aufzubauen. So natürlich auch den Stephansdom.

1948 war der Wiederaufbau des Langhauses beendet, zwei Jahre später das Dach. 1951 waren die Gewölbe in sämtlichen Jochen wieder erneuert und intakt. Der Erzbischof von Wien, Kardinal Theodor Innitzer selbst schlug den letzten Schlussstein ein. 1952 war auch die Neugestaltung des Innenraumes vollendet. Was nun noch fehlte war … die Glocke.

Vor dem Linzer Landhaus ist der Umfang der neuen Pummerin verewigt. Von diesem Platz aus begann sie vor über 70 Jahren, am 25. April 1952 ihren Triumphzug durch halb Österreich nach Wien. Foto: © oepb

St. Florian bei Linz

Ganz Österreich beteiligte sich damals am Wiederaufbau des Doms. Aus Niederösterreich kam zum Beispiel der Steinboden. Das mächtige Tor hinein in den Dom aus der Steiermark. Die sich darin befindliche Bänke aus Vorarlberg. Die Kronleuchter aus Kärnten und die Kommunionbank aus dem Burgenland. Das Tabernakel aus Salzburg und eben die Glocke aus dem „Lande ob der Enns“, aus Oberösterreich.

Über die Linzer Landstraße, hier auf Höhe der Spittelwiese, ging die Reise weiter. Foto: ÖNB

Der Einzug der „neuen“ Pummerin in Wien

Am 26. April 1952 erfolgte der feierliche Einzug der Pummerin in Wien. Die neue Glocke, die in St. Florian bei Linz gegossen und somit aus Oberösterreich kommend, eine wahre Triumphfahrt vom Linzer Landhaus an der Promenade weg entlang der Linzer Landstraße nach Enns, über Amstetten und Melk bis nach Wien hinter sich gebracht hatte, wurde von Trachtengruppen und Fahnenträgern begleitet. Es sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass Österreich damals noch von den Siegermächten besetzt und in vier Zonen aufgeteilt war.

In St. Florian, Linz und Oberösterreich beispielsweise „regiertendie Amerikaner, in Niederösterreich und Wien die Russen. Nichtsdestotrotz öffnete der „Iwan“ bei Enns und der Zonengrenze gefällig seinen Schlagbaum und wollte der weiteren Reise dieses Fest-Zuges nicht mit einem “Njet” im Wege stehen.

Der Oberösterreichische Landeshauptmann Heinrich Gleißner überbrachte die Glocke, auf die Franz Karl Ginzkey seine „Hymne auf die Pummerin“ verfasste. Kardinal Innitzer weihte das gute Stück ein.

Auf der Wiener Straße näherte sich der Fest-Zug dem Stift Melk in Niederösterreich. Foto: ÖNB

Seitlich auf einem Gerüst wurde nun die über 20 Tonnen schwere und größte Glocke Österreichs hochgezogen. Tags darauf, am 27. April 1952 zelebrierte der Kardinal ein Pontifikalamt im renovierten Albertinischen Chor. Die „neue“ Pummerin erklang somit zum ersten Mal.

Es antworteten vermittelt vom Vatikansender die Glocken des Petersdorms in Rom. Papst Pius XII. sprach nun in deutscher Sprache zu den Gläubigen in Wien und in Österreich und übermittelte Gruß- und Segensworte.

Nachdem unzählige Menschen entlang der gesamten Strecke von Linz bis Wien Spalier gestanden sind, war natürlich auch in Wien die Freude riesengroß. Der Fest-Zug biegt auf Höhe der Staatsoper in die Kärntnerstraße ein. Im Hintergrund erkennt man bereits den Stephansdom. Foto: ÖNB

Luftangriffe auf die Ostmark

Bis zum Kriegsende fielen etwa 70.000 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf den Gau Ostmark. Im heutigen Österreich gab es 151 mal Fliegeralarm, 101 mal davon alleine in Wien. 8.769 Wienerinnen und Wiener fielen diesen Luftangriffen zum Opfer.

Der Wiederaufbau des Wiener Stephansdoms samt den ersten feierlichen Klängen seiner neuen Pummerin steht mit dem gesamten Wiederaufbau Österreichs nach 1945 und bis heute für den Umstand … „Auferstanden aus Ruinen“.

Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch diesen Artikel bei uns;

Quelle: Redaktion www.oepb.at

www.stephanskirche.at

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