Im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek / ÖNB heißt es nun „Manege frei!“ Die neue Sonderausstellung zeigt von 24. März – 26. Juni 2022 faszinierende Tierdarstellungen, die aus dem reichen Bestand der ehemaligen kaiserlichen Sammlungen stammen und im Laufe von vier Jahrhunderten entstanden sind. Sie begeistern nach wie vor durch Detailtreue und Farbvielfalt und sind bildliche Zeugen der schönsten Tiere des Kaiserreichs. Beeindruckende Höhepunkte dieses Schatzes sind nun für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie erzählen eine Geschichte von Expeditionen, Forschergeist, Kunst, Naturwissenschaft und längst vergessenen Institutionen als Vorläufer heutiger Tiergärten und naturhistorischer Museen.

Sie stammten aus fernen Erdteilen und gelangten im Zuge von Expeditionen oder als Attraktionen von Wandermenagerien in die Residenzstadt Wien. Elefanten, Großkatzen, fremde Vögel und andere Tierarten, die bis dahin nur aus illustrierten Büchern bekannt waren. Die Exoten fristeten ihr Dasein fortan nicht bloß als lebende Schauobjekte der kaiserlichen Tiergärten oder ausgestopft in den Naturaliensammlungen. Seltene Vögel wurden auch als Haustiere hoher Persönlichkeiten des Hofes, wie etwa der Familie Metternich gehalten, kleine Äffchen bewohnten jahrzehntelang den kaiserlichen Garten auf der Burgterrasse.

Grüne Meerkatze aus der privaten Menagerie Kaiser Franz‘ II./I., Mathias Schmutzer, Gouache, ca. 1797 – Bild: © Österreichische Nationalbibliothek

Anhand von Darstellungen historischer Expeditionen, Menagerien und Naturalienkabinetten bietet die neue Ausstellung einen einmaligen Ein- und Überblick über die Bedeutung der heimischen und exotischen Tiere zur Zeit der Habsburger. Sie präsentiert Ansichten längst vergessener Tiergärten wie jenem in Schloss Neugebäude oder der barocken Menagerie des Prinzen Eugen von Savoyen im Belvedere. Die naturalistischen Tierdarstellungen bieten nicht nur ein einzigartiges künstlerisches Spektrum, von den mikroskopisch-präzisen Studien der Insekten bis zu den anmutigen Darstellungen der Großsäuger. Sie dokumentieren gleichzeitig die herausragende Forschungstätigkeit im Hof-Naturalienkabinett unter Kaiser Franz II./I. und Ferdinand I. Je nach Auftrag standen Tierliebe, Repräsentationsbedürfnis oder naturwissenschaftliches Interesse hinter diesen Werken.

Das Hof-Naturalienkabinett unter Kaiser Franz II./I.

Die in der Schau gezeigten Tierdarstellungen haben zum überwiegenden Teil ihren Ursprung im damaligen Hof-Naturalienkabinett. Präparierte Tiere wurden von den besten Tiermalern ihrer Zeit abgebildet und erfüllten so einen aussagekräftigen und wissenschaftlichen Zweck. Bei den Habsburgern hatte die Förderung der Naturwissenschaften eine lange Tradition. Diese setzte auch Kaiser Franz II./I. (1768–1835) fort, indem er 1796 aus seinen privaten Mitteln eine kleine Sammlung ausgestopfter Säugetiere und Vögel erwarb und damit den Grundstein für das erste zoologische Museum in Wien legte. Dieses befand sich im linken Gebäudetrakt der Hofbibliothek und war direkt mit den Glashäusern der privaten, kaiserlichen Terrasse verbunden, sodass der Kaiser jederzeit dorthin gelangen konnte. 1797 wurde die Sammlung auf für interessierte BesucherInnen geöffnet. Die Präsentation der Tiere nach wissenschaftlichen Prinzipien erfolgte erst ab 1806 mit dem neuen Direktor und renommierten Wissenschaftler Carl von Schreibers. Ein Zubau im Augustinerhof bot der stetig wachsenden Sammlung schließlich mehr Raum. 1842 war die Neuaufstellung unter Kaiser Ferdinand I (1793–1875) abgeschlossen und das Museum zählte jährlich an die 20.000 BesucherInnen. Während der Revolution 1848 geriet das Dach durch Kanonenbeschuss in Brand. Das Feuer und das Löschwasser zerstörten zahlreiche Bestände des Kabinetts, unter anderem viele der in Alkohol konservierten Präparate. Ein Großteil der ehemaligen Sammlungen des Hof-Naturalienkabinetts beherbergt heute das Naturhistorische Museum in Wien.

Jaguar-Männchen, Leopold Stoll, Aquarell, 1820 – Bild: © Österreichische Nationalbibliothek

Die Tiermaler des Hof-Naturalienkabinetts

Der Direktor des Hof-Naturalienkabinetts, Carl von Schreibers, übergab dem Kronprinzen und späteren Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) einmal pro Woche eine Auswahl an Tierzeichnungen, die eigens für seinen Unterricht angefertigt wurden. Als Ferdinand 1835 den Thron bestieg, standen bereits sechs Maler in seinen Diensten, die sich auf das Tierfach spezialisiert hatten. Nachdem er 1848 abdankte und wenig später nach Prag zog, wurde er weiterhin mit jährlich 50–60 Blättern pro Künstler aus Wien beliefert. Nach seinem Tod 1875 wurde die Sammlung auf Veranlassung seines Neffen und Erben Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) wieder nach Wien überführt. Sie umfasste zu diesem Zeitpunkt bereits annähernd 10.000 Tieraquarelle der herausragendsten naturhistorischen Zeichner des 19. Jahrhunderts. Die neue Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek erinnert an die teilweise bereits in Vergessenheit geratenen Künstler, zeigt ihre faszinierenden Werke, deren beeindruckende Farbvielfalt und Detailtreue der abgebildeten Tiere. Zu sehen sind Kunstwerke von Eduard Gurk (1801–1841), Joseph Zehner (1790–1867), Bernhard von Schrötter (1772–1842), Leopold Brunner der Ältere (1788–1866), Leopold Brunner der Jüngere (1822–1849), Josef Mann (1804–1889), Michael Sandler (1790–1856) und Leopold Stoll (1803–1889). Im Tierkabinett spezialisierten sich die Maler auf unterschiedliche Abteilungen: Leopold Stoll und Eduard Gurk widmeten sich beispielsweise den großen und kleineren Säugetieren, Leopold Brunner den präparierten Vögeln und der Sammlung von Weichtieren. Joseph Zehner fertigte Darstellungen von Reptilien und Fischen an, Spinnen und Insekten wurden von Bernhard von Schrötter und später vom Schmetterlingsmaler Josef Mann zu Papier gebracht.

Weiße Pfauen, Eduard Gurk, Aquarell/Deckweiß, 1830 – Bild: © Österreichische Nationalbibliothek

Die österreichische Brasilienexpedition

Expeditionen schufen die Basis für die Erforschung der exotischen Fauna und legten den Grundstein für exotische Menagerien der kaiserlichen Auftraggeber. Anlässlich der Heirat der österreichischen Kaisertochter Leopoldine mit dem portugiesischen Thronfolger und späteren Kaiser von Brasilien, Dom Pedro, organisierte Kaiser Franz II./I. (1768–1835) eine naturwissenschaftliche Expedition in das damals nahezu unbekannte Land. Die Expedition sollte die Braut 1817 nach Brasilien begleiten. Unter der Leitung des Direktors des Hof-Naturalienkabinetts Carl von Schreibers nahmen 14 Zoologen, Botaniker, Mineralogen, Präparatoren und Maler teil, um die Flora und Fauna Brasiliens zu erforschen. Im November 1818 erreichte der erste Transport von lebenden und ausgestopften Tieren, Pflanzen, Mineralien und Insekten Wien, um im Hof-Naturalienkabinett am Josephsplatz wissenschaftlich untersucht zu werden. In den folgenden 18 Jahren gelangten zehntausende lebende Tiere, Tierbälger und Präparate in die Kaiserstadt. Die wenigen lebend gefangenen Tiere, die die beschwerlichen Überfahrten überlebt hatten, wurden meist in der privaten Menagerie Kaiser Franz II./I. im heutigen Burggarten untergebracht. Da die Unterbringungsmöglichkeiten für die anderen Objekte bereits nach der dritten Lieferung erschöpft waren, musste ein Ausweichquartier gesucht werden und 1821 wurde in der Wiener Johannesgasse ein sogenanntes „Brasilianisches Museum“ eröffnet. Nachdem im Laufe der Jahre nach und nach alle beteiligten Forscher aufgrund von Krankheit, dem ungewohnten Klima und politischen Unruhen aus Brasilien abreisten, kehrte im Jahr 1836 mit Johann Natterer der letzte Zoologe zurück und die wohl aufwendigste habsburgische Expedition fand ihr Ende. Die Präsentation im Prunksaal zeigt zahlreiche, beeindruckende Darstellungen der damals im Rahmen der Expedition nach Wien gelangten exotischen Tiere wie beispielsweise einen Jaguar, ein Opossum, Kapuzineraffen, oder Vögel wie Blauara, Goldkappensittich. Originale wie Brasilien-Karten mit den Reiserouten, Porträts und Briefe der im Auftrag des Kaisers tätigen Expeditionsteilnehmer vermitteln einen lebendigen Eindruck von den damaligen, risikoreichen Unternehmungen. 

Bergzebra, Eduard Gurk, Aquarell, 1833 – Bild: © Österreichische Nationalbibliothek

Auf den Spuren der Elefanten am Wiener Hof (1552 – 1845)

Elefanten hatten für die habsburgischen Herrscher eine besondere Bedeutung: zahlreiche historische Quellen, etwa Berichte in Zeitungen und von Reisenden, genauso wie Hausnamen und Gedenktafeln, belegen dies ebenso wie die Darstellungen von dekorierten, königlichen Elefanten oder Bullen des Hof-Naturalienkabinetts oder in der Menagerie in Schönbrunn, die in der Schau im Prunksaal zu sehen sind. 1551 erhielt der spätere Kaiser Maximilian II. (1527–1576) einen Elefanten als Geschenk seines Schwagers, des spanischen Königs Philipp II. Nachdem das Tier am 7. Mai 1552 nach einer aufsehenerregenden Reise Wien erreichte, verstarb es nicht einmal zwei Jahre später im Dezember 1553. Zehn Jahre später, kam erneut ein Elefant als Geschenk des spanischen Königs an den Wiener Hof. Kaiser Maximilian II. nutzte das eindrucksvolle Erscheinen des grauen Riesen für Auftritte bei offiziellen Anlässen und Festivitäten. 1570 trat das Tier beispielsweise im Rahmen der Verlobungsfeier von Philipp II. von Spanien mit dessen Nichte und Kaisertochter Anna auf.

Dieses spektakuläre Ereignis wurde in zahlreichen Berichten ausführlich beschrieben, bildliche Darstellungen der Feier sind jedoch nicht überliefert. Der Elefant lebte bis zu seinem Tod um 1577 in der kaiserlichen Menagerie Kaiserebersdorf. Erst rund 200 Jahre später, 1771 sollte wieder ein Elefant nach Wien kommen, diesmal als Geschenk Wilhelms V. von Oranien-Nassau.

Eisbär aus dem Tiergarten Schönbrunn, Mathias Schmutzer, Gouache, 1797 – Bild: © Österreichische Nationalbibliothek

Von Menagerien und Hetztheatern

Die erste Menagerie in Wien, wurde 1552 von Kaiser Maximilian II. (1527–1576) in Schloss Kaiserebersdorf gegründet, um eine adäquate Unterbringung für seinen aus Spanien mitgebrachten Elefanten zu schaffen. Verschiedenen Quellen zufolge wurden dort neben einheimischen Tieren beispielsweise auch Löwen, Kamele, Affen und „indianische Raben“ (Papageien) gehalten. Im Jahr 1607 übersiedelten die Tiere in die neu angelegte Menagerie im Schloss Neugebäude, die im Laufe ihrer längeren Geschichte zahlreiche heimische und exotische Tiere beherbergte.

Prinz Eugen von Savoyen ließ 1717 in seiner Sommerresidenz, dem Schloss Belvedere, einen Tiergarten errichten, der zu den berühmtesten seiner Zeit wurde. Pfaue, Schwäne, Kraniche, Affen, ein Löwe und viele weitere Tierarten bewohnten fortan die in einem Halbkreis um einen Springbrunnen angelegte Menagerie im östlichen Teil des Parks des Oberen Belvedere. Prinz Eugen besuchte und fütterte seine Tiere regelmäßig. Nach dem Tod des Prinzen 1736 wurde die Menagerie aufgelöst und der Tierbestand verkauft – nur ein Weißkopfgeier lebte noch bis zu dessen Tod 1823 im Belvedere.

Auch der Erzherzog und spätere Kaiser Franz II./I. (1768–1835) hatte eine große Leidenschaft für das Gärtnern und ließ deshalb 1791 auf dem Flachdach des Augustinerganges der Hofburg eine Terrasse mit einem kleinen Garten anlegen. Zwischen den Glashäusern und Blumenbeeten lebte eine Vielzahl von Tieren, wie etwa Tauben, Singvögel, exotische Vögel oder auch Affen, die an Ketten angebunden gehalten wurden. Der starke Zuwachs an Tieren aufgrund der Brasilienexpedition ab 1817 löste eine Platznot aus, der mithilfe einer weiteren Menagerie 1820 im Kaisergarten Abhilfe geschafft wurde. Nach dem Tod Kaiser Franz wurden beide Menagerien wieder aufgelöst und ein Großteil der Tiere nach Schönbrunn verlegt.

Kleinfleck-Ginsterkatzen, Eduard Gurk, Aquarell, 1830 – Bild: © Österreichische Nationalbibliothek

Schloss Schönbrunn, seit Kaiserin Maria Theresia Sommerresidenz der Habsburger, sollte ebenfalls eine Menagerie erhalten. Dies wurde vom naturwissenschaftlich interessierten Gatten der Kaiserin, Franz I. Stephan (1708–1765), forciert. Die neue Anlage eröffnete 1752 mit einem zentralen Pavillon, um den zwölf, annähernd gleich große, Tiergehege angeordnet waren. Die Menagerie in Schönbrunn erfreute sich rasch großer Beliebtheit und entwickelte sich zu einem beliebten Ausflugsziel der WienerInnen. Der heutige Wiener Tiergarten Schönbrunn ist der älteste, noch bestehende Zoo der Welt und kann auf ein inzwischen 270-jähriges Erbe zurückblicken.

In der Ausstellung belegen Darstellungen historischer Menagerien die Dimension und Bedeutung dieser fürstlichen und kaiserlichen Form der Repräsentation.

Sogenannte „Wandermenagerien“ boten einem zahlungsfähigen Publikum die Möglichkeit, exotische Tiere aus nächster Nähe zu bestaunen. Als Familienunternehmen geführt, tourten sie durch ganz Europa. Das Vorführen und Erklären der meist handzahmen exotischen Tiere, deren Fütterung und unterschiedliche Dressuren waren Fixpunkte der Vorstellungen. Raubkatzen, Zebras, Affen, Schlangen und vor allem Elefanten waren überaus beliebt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde zunehmend die Wildheit der Raubtiere gezeigt. Das Publikum sollte durch Löwengebrüll und Peitschenhiebe einen Nervenkitzel erfahren. Nach und nach gingen die Wandermenagerien in der Zirkusbewegung auf.

Das k. k. privilegierte Hetzamphitheater in Wien, Anton Stutzinger, Aquarellierte Federzeichnung, ca. 1850 – Bild: © Österreichische Nationalbibliothek

Im Laufe des 18. Jahrhunderts gab es in Wien mehrere Hetztheater. Zur Belustigung der Bevölkerung wurden in stets ausverkauften Vorstellungen, exotische und einheimische Tiere, wie Löwen, Tiger, Bären, Stiere, Wildschweine, Wölfe und Hunde, in grausamen Schaukämpfen aufeinandergehetzt. Das bekannteste Wiener Hetztheater, das k. k. privilegierte Hetzamphitheater unter den Weißgerbern, bot in einem dreistöckigen runden Holzbau Platz für 3.000 BesucherInnen. Zwei große Steigbäume in der Mitte der Arena sicherten den menschlichen Hetzern, den „Hetzknechten“, bei zu großer Gefahr Zuflucht. Das blutige Spektakel wurde von lauter Musik begleitet. 1796 fiel das Theater einem Brand zum Opfer. Kaiser Franz II./I. (1768–1835) nahm dies zum Anlass, die auch unter herber Kritik stehenden Tierhetzen zu verbieten. Die Redewendung „Das war a Hetz!“, hat sich bis heute gehalten.

Quelle: Österreichische Nationalbibliothek / ÖNB

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