Tradition und Zukunft Herausgegeben von der OÖ-Wirtschaftskammer
Der Handel betreut EU-weit 360 Millionen Konsumenten. Der Handel in Oberösterreich zählt 27.000 Mitglieder und beschäftigt 90.000 Mitarbeiter.
Das vorliegende Buch ist auch als ein Beitrag zum 150-Jahr-Jubiläum der Wirtschaftskammer in Oberösterreich erschienen.
Der Handel ist seinem Prinzip nach ein Wandel und daher ständigen Herausforderungen unterworfen. Die Linzer Landstraße ist neben der Wiener Mariahilferstraße die frequentierteste Einkaufsmeile geworden und geblieben. Der Handel bedarf des Marktes. Hier bieten die Erzeuger und die Händler die Ware an. Das begann bereits mit dem Bauchladen und setzte sich sodann mit den fahrenden Handelsvertretern fort, die aus dem Ausland die Waren importierten. Gehandelt wurde überall – in Bretter-Buden und Lauben, im Schatten der Kirchen und im Schutz der Burgen. Später sodann in Wirtsstuben, Kaufhäusern und sogar auf Friedhöfen. Allmählich gliederten sich die Händler in seßhafte Kaufleute und Hausierer. Im Laufe der Zeit kam es auch zu Auswüchsen. Schmuggler und Schwarzhändler belebten das Geschäft. Hermes war ja bei den Römern der Gott des Handels und der Diebe. Der Schmuggel überwand die unnatürlichen Grenzen. Wenn heute Alkohol und Zigaretten Schmuggelgut sind, waren es früher Salz, Kaffee, Zucker und sogar der Viehhandel.
Der Handel aber reinigte sich. Münzen wurden bereits seit dem 7. vorchristlichen Jahrhundert geprägt. Im 19. und 20. Jahrhundert war der Beginn des Papiergeldes. Das städtische Bürgertum übernahm den Handel und brachte ihn zum Wandel. Es begann die Zeit der Handelsware. Es entstanden die Markenartikel und damit setzte die Werbung ein. Am Anfang des Handels stand das Tauschen. Aus diesem System entwickelte sich der Segen von Verpackungen. Anschließend kam es zum Strukturwandel und die Warenhäuser wurden zu Konsumtempeln. Kataloge ersetzten die Hausierer und der Versandhandel entstand. Produzenten entdeckten den Direktverkauf-Handel an die Konsumenten.
Die Wiege der Menschheit stand in Afrika. Die Urmenschen waren dabei, neue Lebensräume zu entdecken. Die Beweggründe für die Ausbreitung des Handels waren verschiedenartig. Vor dem Handel bestand die Jagd. Eine Revolution war sodann die Entwicklung vom Jäger zum Bauern und damit die Einführung von Ackerbau und Viehzucht. Weiters erfolgte der Pfahlbau auf den Ländern. Wagen und Straßen wurden “geboren”. Fortbewegungsmittel lösten sodann das Pferd ab. Die gemeinsame Sprache war das Römer-Latein. Produktionsstätten entstanden sodann en masse. Eine Art Lokalhandel entwickelte sich wie von selbst. Oberösterreich verfügte über vier schiffbare Flüsse, es kam erst spät zum Wasser-Verkehr. Die Römerzeit war für die Einordnung von Kaufleuten schwierig. Auch das Christentum verleugnete das Gewinn-Streben. Die germanischen Stämme wurden zwar seßhaft, sie lebten aber von der Landwirtschaft und zogen nach Erschöpfung des Bodens weiter. Die Völkerwanderung setzte ein und um 900 n.Chr. wurde die Raffetsetter-Zollordnung eingesetzt, um damit erstmals für die transportierten Waren ein Entgelt eingenommen. Der Zoll selbst wurde durch Geld oder mit Waren abgefertigt, auch sogar mit Salz.
Bisnun waren die Bischöfe und die Adeligen die eigentlichen Herren des Handels, die Bauern leisteten Zwangsarbeit. Nun aber erwachte eine eigene Kaufmannschaft. In den Städten entstanden Jahrmärkte. Das Münzengeld wurde nicht gezählt, sondern gewogen. Die Kaumannschaft verfügte noch über keine Ausbildung. Es wurde lediglich verlangt, daß ihre Mitglieder rechnen, schreiben und lesen konnten. Fahrende Kaufleute mußten ihre Waren in den Städten drei Tage liegen lassen und zum Verkauf anbieten. Erst dann konnten sie ihre Reise fortsetzen. Es wurde en groß eingekauft und en detail im eigenen Haus verkauft. Ein Stapelrecht wurde neu eingeführt. Die anreisende Kaufleute mußten ihre Waren stapeln und sodann einem Kaufmann aus der entgegengesetzen Richtung verkaufen. Es gab auch noch andere Rechte, die im Handelsbereich angewandt wurden. Etwa das Linzer Repräsentationsrecht. Der Handel drängte nunmehr auf die Linzer Jahrmärkte und auf das Netz der Messetermine entlang der Donau. Die Handelsherren vermieteten Zimmer und Verkaufsgewölbe auch in den Hinterhöfen. Allmählich aber entwickelte sich ein Kapitalmarkt, wobei Termingeschäfte vereinbart wurden. Die Adeligen wollten nicht zusehen, wie die Bürger eben Bürger wurden und eine eigene Handelsnorm verfolgten. Maria Theresia ordnete 1743 an, daß alle den Handel betreffenden Fragen und Probleme der Monarchie zu übertragen sind. Erst im 18. Jahrhundert wurde der schwache Untertan in den Berufsstand der Bürger und der Professionisten gewandelt. Auch die Bürger-Revolution 1848/49 wurde niedergeschlagen. Schließlich aber kam es doch zur Errichtung von Handels- und Gewerbekammern. Der neue Handelsstand war liberal orientiert, es kam zur Auflösung der Zollvereinigung mit Deutschland und der Donau-Zölle gegen Bayern, sodaß Österreich einen großen Marktplatz bildete. Von den 43.546 Selbstständigen im Jahr 1861, gehörten 13.709 dem Handel an. Im Jahre 1867 wurde der kaufmännische Verein gegründet und übernahm seine vereinspolitische Tätigkeit. Der Handel stand vor einer erfreulichen Entwicklung, aber der 9. Mai 1873 galt als “Schwarzer Freitag⊃3;, der auch seine Auswirkung auf die oberösterreichische Wirtschaft hatte. Gleichzeitig folgte der Zusammenbruch der Wiener Börse. Beim Handel in Oberösterreich bildeten sich zwei Fachgenossenschaften für den Gemischtwarenhandel. Die Gruppen Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr nahmen innerhalb der Kammer 36 Prozent ein. Hunger und Not führten zu Aufruhen, vor allem in Linz. Im Winter 1918 wurden 300 Kaufläden aufgebrochen und der noch vorhandenen Warenbestände beraubt. Das Handelsgeschehen war durch das Ende des verlorenen Krieges besonders hart betroffen. Neue Strukturen erfolgten erst nach der Jahrhundertmitte. Um 1900 erfuhr der Handel einen neuen Aufschwung, dem die Technik Pate stand. Der 1. Weltkrieg hatte unübersehbare Folgen. Es mangelte an allem. Zu kaufen gab es fast nichts mehr. Der junge Karl Farkas ätzte damals, daß man mit einem Handwagerl voll Geld einkaufen fuhr und mit einem Geldbörserl voll Lebensmittel wieder nach Hause ging. Die neuen Läden der Handelsunternehmen wurden durch Straßenverkäufer ersetzt. Die Wirkungen der Weltwirtschaftskrise führten zu Konkursen, die sich vor allem beim Handel häuften.
Die Zeit des Nationalsozialismus setzte mit einer Enteignung der jüdischen Geschäfte ein. Unmittelbar nach dem Anschluß 1938 Österreichs an Deutschland sprangen die Umsätze des Handels empor. Viele Produkte aus dem Ausland waren nurmehr in Österreich erhältlich. Der Handel litt unter der Umstellung der Reichsmark vom 15. April 1938. Die Anzahl der Handelsunternehmen sank um 23.960 auf 14.000 ab. Bei der Stillegung nicht kriegswichtiger Betriebe war vor allem der Handel betroffen. 1942 betrieben nur 3.000 Selbstständige Handelsunternehmen. Es war die große Zeit der Bezugsscheine. Die logische Folge des Kriegsendes brachte eine neue Art der Handelsökonomie, nämlich Autargie und Selbsthilfe. Dem Kriegsende folgte die Zeit eines Naturaltausches. Die Bauernvaluta Speck diente für die Edelvaluta ausländischer Zigaretten, Nylonstrümpfe und Penicillin. Die Stadt Linz wurde zweigeteilt. Der Handel litt unter dem Emporwachsen der USIA-Geschäfte in der russischen Zone. Im Sommer 1950 errichtete die USIA eine Kette von Verkaufsläden, und unterbot das österreichische Preisniveau spürbar. Menschenschlangen mit Rucksäcken häuften sich vor den USIA-Läden. Natürlich erließ die Handelskammer Aufrufe, die dem Patriotismus dienen sollten. Erst 1955 brachte der Staatsvertrag eine Schließung der USIA-Läden und der Handel atmete auf.
Die Nachkriegszeit stand im Zeichen des Improvisierens und des Beschaffens. 1950 begann eine Flucht in die Sachwerte, wobei der Handel lediglich zuschauen konnte. Schließlich aber setzte als große Überraschung das Wirtschaftswunder ein. Der Marshall-Plan heizte in den amerikanischen Zonen die Selbstbedienungs-Idee auch in Österreich an. Sonntagsruhe und Ladenschlußzeiten folgten. Die Einführung der Arbeitszeit auf 40 Stunden im Jahr 1975 brachte völlig neue Verhältnisse. Neue Probleme erbrachte für den Handel die soziale Sicherheit. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfuhr der Handel eine großzügige Ausdehnung. Im OÖ-Handel wurden wieder 16.363 Betriebe gezählt. Die meisten Handelsbetriebe wurden von Familienmitgliedern geführt. Genossenschaften und Handelsketten waren sodann die nächste Stufe der Bedeutung. Von den 54.965 Kammermitgliedern gehörten 26.522 dem Handel an. Im Gegensatz zu den früheren Entwicklungen stand der Handel nunmehr vor der Herausforderung der Warenfülle. Damit wurde auch der Flächenbedarf immer größer. Andererseits verblaßte der Kontakt von Mensch zu Mensch. Es war aber das Bedürfnis für die Aufrechterhaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen ein Gebot der Stunde. Neue Betriebsformen entwickelten neue Strategien. Das Kapital bemächtigte sich des Handels. Solange es die Menschheit gibt, wird es auch den Handel geben.
Das Buch befaßt sich abschließend mit einer ausführlichen persönlichen Schilderung der Sektion Handel und bringt in Wort und Bild die Gremien der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer.
Das umfangreiche und tiefschürfende Werk wurde von den Autoren Prof. Dr. Franz Pisecky, Dir. Dr. Willibald Katzinger, Univ.-Prof. Dr. Roman Sandgruber und Dr. Erwin Kerschbaummayr verfaßt. Sie schöpften aus den Unterlagen einer geschichtsträchtigen Zeit im historischen Auf und Ab in guten und schlechten Zeiten des Handels in seiner Vielfalt und menschlichen Breite.
OÖ-WirtschaftskammerSektion Handel
Hessenplatz 3
4010 Linz
Tel.: 0732/78 00-0
ISBN 3-85487-423-5 Zu beziehen zum Preis von Euro 39,– im Buchhandel.