Von der Ostbahn kommend beim Parkplatz Laaer Wald in Wien X befindet sich versteckt der Eingangsbereich in den Böhmischen Prater. Foto: oepb

Der Begriff „Prater“  ist in Wien und in Österreich hinlänglich bekannt.Auch strömen Jahr für Jahr zahlreiche Touristen in unsere schöne Wiener Stadt, um nach den kulturellen Sehenswürdigen und den Palästen am Ring auch dem „Wurstelprater“ (übrigens sind damit nicht die Würstel gemeint, die man dort gemeinhin verzehren kann, der Name steht für den „Hanswurst“, der Stegreifkomödien-Figur einer Wanderbühne aus dem 16. Jahrhundert, eben den „Wurschtl“, das Stehaufmanderl, den – frei nach Heinz Conrads  – kaner derschlagen kann) einen Besuch abzustatten. Nur die allerwenigsten wissen, dass es seit 1883 auch einen „Böhmischen Prater“ gibt. Ein bisserl kleiner, ein bisserl unscheinbarer und auch ein bisserl versteckt, draußen am zugigen Laaerberg inmitten von Wien-Favoriten.

Zur geschichtlichen Entwicklung

Inzersdorf am Wienerberge wird um 1120 erstmals urkundlich erwähnt. Der Hauptteil befindet sich heute im 23. Bezirk. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts war der Ort im Besitz der Brüder Adam und Christof Geyer von Osterburg, die hier ein Zentrum der evangelischen Lehre errichteten. Nach oftmaligem Besitzerwechsel gelangte die Gemeinde Inzersdorf im frühen 19. Jahrhundert an den Bauunternehmer Alois Miesbach und später an seinen Neffen Heinrich Drasche. Zu dieser Zeit erfuhr die zunehmende Ziegelindustrie am Südhang des Wienerbergs einen beachtlichen Aufschwung. Der Zustrom der Menschen nach Wien und der dadurch ausgelöste Bauboom erhöhte stets den Bedarf an Ziegeln. Durch kaiserlichen Erlass wurden sämtliche Ziegelöfen aus dem Erscheinungsbild der Stadt verbannt und, weit draußen auf den Wienerberg verlegt. Dies bescherte Drasche (s)ein Monopol.

Auf einer Fläche von 5.000 m2 lässt so manche Attraktion kleine Kinderherzen höher schlagen. Foto: oepb

Schon Alois Miesbach produzierte 1820 jährlich zirka 1,5 Millionen Ziegel. Die Ziegelarbeiter waren in erster Linie böhmische Zuwanderer und lebten unter geradezu unvorstellbar schlechten Bedingungen als ausgebeutetes Industrieproletariat der untersten Kategorie. Im Jahre 1888 machte der junge Arzt Dr. Viktor Adler auf dieses, ihr Elend aufmerksam. Dies war der Beginn der Sozialdemokratie.

Die Tschechen von Wien

Das rasche Wachstum Wiens nach der Schleifung der Basteien (1858 bis 1863, lediglich das Äußere Burgtor erinnert heute noch an die alten Wiener Stadtmauern) zog einen Strom von Zuwanderern nach sich. „Gastarbeiter“, die in den neuen Industrien oder bei den vielen Bauvorhaben Arbeit zu finden hofften. Der Großteil der Zuwanderer kam aus den überbevölkerten Agargebieten Südmährens und Südböhmens, manche von ihnen waren auch aus dem Sudentenland, die meisten aber waren Tschechen. Wer in Wien weiterkommen wollte, der musste Deutsch sprechen. Doch es ergaben sich bei so rascher Anpassung an die schwierigen Lebensverhältnisse immer größere ethnische und auch kulturelle Probleme. Bald nach der Liberalisierung des Vereinsgesetzes wurde 1868 der tschechische Arbeiterverein „Sokol“ gegründet, der vor allem gemeinsame sportliche und kulturelle Aktivitäten zum Ziel hatte.

Dazu gesellte sich einige Jahre später der Schulverein „Komensky“, dem die Errichtung einer tschechischen Volksschule in Wien-Favoriten gestattet wurde. Sie erhielt allerdings kein Öffentlichkeitsrecht. Spätestens mit den Badeni-Krawallen (siehe bitte den nächsten Absatz) des Jahres 1897 zeigte sich, dass eine Verständigung der Nationalitäten kaum mehr möglich war, worunter auch die Tschechen in Wien zu leiden hatten.

Dennoch stieg der Anteil der Tschechen an der Wiener Bevölkerung unaufhaltsam an: 1890 machten sie 5,4 Prozent, 1900 7,1 Prozent der Wiener aus. 1910 lebten in Wien über 100.000 Menschen, die tschechisch sprachen. Die meisten von ihnen lebten in Favoriten. Dort oben, am Laaerberg, lag auch der „böhmische Prater“, ein beliebter Treffpunkt in der kargen Freizeit.

Als nach 1918 der Zuwandererstrom abriss, verklang jedoch auch dort sehr bald die tschechische Sprache. Jahrzehnte danach erinnern noch zahlreiche slawische Namen im Wiener Telefonbuch an den einstigen „Schmelztiegel Wien“.

Diese süße Tramway befindet sich derzeit zwar im Winterschlaf, freut sich aber bereits heute, im kommenden Frühjahr kleine und große Naschkasten wieder verwöhnen zu dürfen. Foto: oepb

Die Badeni-Krawalle

Um den Forderungen der Tschechen nach einem Ausgleich wie dem mit Ungarn 1867 entgegenzukommen und somit einhergehend den langwierigen Nationalitätenstreit zu entschärfen, erließ Ministerpräsident Graf Badeni 1897 eine Verordnung, nach der in Böhmen alle Beamten nicht nur Deutsch, sondern auch Tschechisch sprechen müssten. Jeder Bürger der Monarchie sollte sich in seiner Muttersprache mit der Behörde unterhalten können.

Dieser Umstand war für die Deutschnationalen unannehmbar. Um diese Verordnung zu stürzen, behinderten sie die parlamentarische Arbeit durch Dauerreden und anderweitige Störaktionen. Was folgte waren tumultartige Szenen und Raufereien im Reichsrat und die Polizei musste einschreiten.

Dieses Riesenrad ist wohl eher ein Kleinrad, ändert aber nichts daran, von oben auch einen herrlichen Blick über den Laaer Wald vom Laaerberg zu haben. Foto: oepb

Nun kam es auch auf der Straße vermehrt zu Protesten. Der Wiener Bürgermeister Karl Lueger teilte seinem Widersacher Badeni mit, dass er nicht mehr für Ruhe und Ordnung sorgen könne, wenn diese Verordnung nicht zurückgenommen würde.

Am 26. und 27. November 1897 kam es auf der Ringstraße zu Massendemonstrationen, die nicht nur von den Deutschnationalen und den Christlichsozialen unterstützt wurden, sondern auch von den Sozialdemokraten, die damit gegen Badenis undemokratisches Vorgehen protestieren wollten. Berittene Polizei und Militär wurden eingesetzt, um die Demonstranten vom Parlament fern zu halten.

Einen Besuch beim Heurigen Werkelmann dürfen wir an dieser Stelle wärmstens empfehlen. Foto: oepb

Doch auch Kaiser Franz Joseph I. hatte nun genug. Er entließ den Ministerpräsidenten und am 17. Oktober 1899 wurden die Sprachenverordnungen wieder zurückgenommen. Der Bruch, der durch die Wiener Krawalle zwischen Deutschen und Tschechen jedoch entstanden war, ließ sich bis zum Ende der Monarchie im Herbst 1918 nicht mehr kitten.

Die „Ziegelböhm“ und ihr Prater

Die im Wiener Dialekt bezeichneten „Ziaglbehm“ waren – wie wir nun wissen – zugewanderte billige Arbeitskräfte aus Böhmen und Mähren in Wien. Ursprünglich handelte es sich um die Werkskantine der Wiener Ziegelwerke – der heutigen Wienerberger AG – die als späteres Ausflugsgasthaus am Wienerberg diente.

Ab 1883 hatten sich bereits einige Schaustellerfamilien in unmittelbarer Umgebung des Ausflugsgasthauses niedergelassen, sodass der „Böhmische Prater“ förmlich entstehen musste. Diese Varieté- und Volksfest-Berufsgruppe der Jahrmarkt-Aussteller entstammte ebenso aus Böhmen und Mähren und verliehen somit dem Böhmischen Prater seine, bis in unsere heutige Zeit geltende Titulierung.

Kleiner, feiner, überschaubarer

Der Böhmische Prater ist auch heute noch, 2019 und somit 136 Jahre nach seiner Gründung, in Betrieb. Freilich läuft dort alles gemütlicher und weniger hektischer ab. Auch gibt es dort keine Touristenströme zu beobachten.

Einen Besuch ist dieses liebliche Areal aber allemal wert, da der Böhmische Prater auch all jene Attraktionen bieten kann, die der große Bruder „Wiener Prater“ detto aufweist. Selbst ein Riesenrad gibt es dort. Zwar nicht so pompös und hoch, eben gemütlicher, kleiner, überschaubarer. Ein geschichtsträchtiges Fleckerl Wiens, das nicht in Vergessenheit geraten sollte.

Herbstliche Idylle im Böhmischen Prater zu Wien-Favoriten. Ab März 2020 nimmt der kleine Rummel wieder seinen Lauf. Foto: oepb

Apropos Böhmischer Prater

Die ORF-Krimi-Produktion „Südpol“  mit Juergen Maurer in der Hauptrolle, die am kommenden Sonntag, 8. Dezember 2019 um 20.15 Uhr im ORF 2 ausgestrahlt wird, wurde teilweise im Böhmischen Prater gedreht.

Quelle: Redaktion: www.oepb.at

www.böhmischer-prater.at

www.böhmischerprater.at

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