Die Digitalisierung hat alle wirtschaftlichen Bereiche voll erfasst. Die Blockchain-Technologie ist dabei zu einem zentralen Schlagwort geworden. Unbestritten ist ihr Potenzial, Geschäftsabläufe effizienter, sicherer und günstiger zu gestalten. Umgekehrt sehen Kritiker im aktuellen Blockchain-Hype die nächste Internet-Blase entstehen. Die hochriskanten Spekulationen mit noch wenig reglementierten „Kryptowährungen“ – Stichwort Bitcoin als bekannteste Blockchain – sind weitere Kritikpunkte. Das Institut für Versicherungswirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz hat die möglichen Auswirkungen dieser Technologie für die Versicherungswirtschaft im Rahmen ihrer Herbstveranstaltung mit Experten diskutiert.
Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die Transaktionen ohne zentrale Kontrollinstanz ermöglicht. Alle beteiligten Parteien greifen dabei auf einen einheitlichen Datensatz zu. Eine private Blockchain ist dabei vergleichbar mit einem Internet, das von einem Unternehmen betrieben wird und bei dem der Zugang der Teilnehmer beschränkt werden kann. Im Hinblick auf die Digitalisierung von Prozessen geht diese Technologie deutlich weiter als konventionelle Softwarelösungen, da die gesamte Wertschöpfungskette davon erfasst wird.
„Bisher hatte die Digitalisierung vor allem das Kundenerlebnis im Blick – Stichwort Apps. Noch viel spannender für die Versicherungswirtschaft ist aber das „Back-End“. Der Fokus liegt hier auf einfacheren Prozessen und sinkenden Kosten. Im Sinne einer verantwortungsvollen Unternehmenspolitik dürfen wir uns gerade deshalb den Entwicklungen rund um Blockchains nicht verschließen. Einfachere Abläufe und ein reduzierter Aufwand bringen auch einen höheren Mehrwert für unsere Kunden, deren Erwartungshaltung sich zunehmend verändert!“, betonte dazu der Vorsitzende des Instituts für Versicherungswirtschaft, Generaldirektor Dr. Josef Stockinger.
Erste Anwendungsbeispiele in der Versicherungswirtschaft
Für die Versicherungswirtschaft ergeben sich durch die neue Technologie zahlreiche neue Möglichkeiten. Ein Versicherungsvertrag könnte vollautomatisiert ausgeführt werden. Erste Pilotprojekte solcher „Smart Contracts“, etwa in Form einer Flugverspätungsversicherung gibt es bereits: Erreicht der Flieger den Flughafen zu spät oder wird der Flug gecancelt, wird diese Information vom Flughafen dokumentiert und an den Smart Contract des Kunden gemeldet. Ohne dass dieser einen Schaden melden muss, werden die definierten Schadenabwicklungsprozesse in Gang gesetzt. Die Entschädigung kann somit innerhalb weniger Minuten nach der Landung ausbezahlt werden. Eine ähnlich aufgebaute Ernteausfallversicherung wurde ebenso bereits aufgesetzt. Denkbar für eine Blockchain-basierte Versicherungslösung ist jedes Risiko das im Leistungsfall zuverlässig digital dokumentiert ist.
Im Vertrieb könnten einheitliche Datensätze Ineffizienzen in den Prozessen beheben und Vermittlern viel Zeit und administrativen Aufwand einsparen. Auch das Vertragsmanagement könnte mittels Blockchain automatisiert und dadurch transparenter werden. Für Mag. Markus Waghubinger werden die Möglichkeiten, Verträge durch Smart Contracts vollautomatisiert abzuschließen mit der wachsenden Vernetzung von Geräten noch viele Anwendungsfälle ermöglichen, die heute noch nicht am Radar sind. Daneben erwartet der Investmentexperte auch die Verwendung dieser Technologie durch die öffentliche Hand: So wurde kürzlich eine Bundesanleihe begeben, deren Notarisierung via Blockchain erfolgte.
Problematischer Prototyp Bitcoin
Bitcoin ist die erste und bekannteste Blockchain. Ziel ist es, Geld ohne einen Zwischenhändler zu überweisen. Weil im Gegensatz zu einer konventionellen Währung die Wertentwicklung von hohen Volatilitäten geprägt ist, ist die Bitcoin neben anderen „Kryptowährungen“ vor allem Gegenstand hochriskanter Spekulationen geworden. Waghubinger sieht in der Bitcoin weder eine Währung noch ein potenzielles Investment, sondern einen Prototyp für die Blockchain-Technologie: „Wie jeder Prototyp muss er noch nicht funktionieren und schon gar keine Währung ersetzen. Gleichzeitig wurde aber noch nie ein Prototyp von so vielen Usern auf Herz und Nieren geprüft. Wir wissen nun, dass die Blockchain-Technologie für sichere Wertübertragung funktioniert.“ Damit sei der Weg offen für echte Anwendungsfälle.
Auch für den Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny, können Bitcoin & Co. wesentliche Aufgaben einer Währung nicht erfüllen. So ist die „digitale Münze“ weder ein allgemeines Mittel für den Zahlungsverkehr noch dient sie der Wertaufbewahrung. Das Eurosystem habe Blockchain-Lösungen für eigene Systeme geprüft. Derzeit würden die Anforderungen an Effizienz und Sicherheit jedoch nicht erfüllt.
Fazit
Die Technologie ist noch jung, wofür Blockchains künftig genutzt werden, wird sich erst herauskristallisieren. Sicher ist jedoch, dass sich auch die Rolle der Versicherer wandeln wird. Einig sind sich die Experten, dass noch Zeit vergehen wird, bis praktische Anwendungen für den Endkunden spürbar werden. Einigkeit herrscht auch darüber, dass das Geschäftsmodell eines Versicherungsunternehmens auch durch die Blockchain-Technologie in absehbarer Zeit nicht obsolet werden wird.
Institut für Versicherungswirtschaft
Das Institut für Versicherungswirtschaft an der Johannes Kepler Universität in Linz besteht seit 1982 und versteht sich als Schnittstelle zwischen universitärer Forschung und der Versicherungswirtschaft in der Praxis. Im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen werden aktuelle Fragestellungen aus dem Versicherungswesen aus Sicht der Versicherungsnehmer auf der einen und der Unternehmen auf der anderen Seite erörtert und Lösungsansätze erarbeitet.
Quelle: Institut für Versicherungswirtschaft / OÖ-Versicherung AG
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