Die Derbygeschichte dieser beiden Wiener Großklubs ist lang. Und auch die damit einhergehenden ewigen Rivalen-Duelle zwischen dem FK AUSTRIA Wien und dem SK RAPID Wien, die sich in Österreich seit der Gründung der Meisterschaft im Jahre 1911 immer wiederhol(t)en. Auch die Spielorte und Stadien sind legendär. Auf zahllosen Plätzen in Wien (und auch darüber hinaus wie Maria Enzersdorf in Niederösterreich oder gar im italienischen Turin) wurde – gerade noch in der ausgehenden k. u. k.-Monarchie – dieser Wiener „Bruder-Kampf“ ausgetragen. Und dennoch bleibt dem Betrachter und Erzähler ein Spielort in immerwährender Erinnerung – die große Beton-Schüssel, das Wiener Praterstadion, das bekanntlich seit 1993 den Namen von Ernst Happel trägt.
„Großes Wiener Derby – Spielort Prater“ – schon alleine diese Spielankündigung elektrisierte und man zählte in den 1970er und 1980er Jahren emsig die Tage, bis es endlich wieder soweit war und man als kleiner „Hans Putz“ an Großvaters Hand von Linz aus nach Wien düsen durfte, um diesem fußballerischen Vergleichskampf, diesem wahren Leckerbissen in Sachen Fußballsport hierzulande, live vor Ort beiwohnen zu können.
Das Wetter war meist schön, sonnig und warm. Ein vorheriger Besuch im „Wurschtel-Prater“ stand somit ebenso auf der Tagesordnung. Bei Riesenrad und Ringelspiel wartete der „alte Herr“ geduldig auf seinen Enkel, der dann noch mit einem Lángos – stinkend nach Knoblauch und ganz und gar nicht nach Prater-Düften im Frühling und Veilchen riechend – ausgestattet den Besuch und die Vorfreude auf das große Spiel beim „Grillturm“, der „Bier-Insel“, in der „Grünen Hütte“ – in der nicht immer nur „Grüne“ von RAPID zugegen waren – und dem „Schweizerhaus“ zeitlich leichter ertragen konnte. Nach gemeinsamer Mittags-Labung ging es dann endlich weiter. Hin und wieder mit der dampfenden, schnaubenden und zwischenzeitlich 90-jährigen „Liliputbahn“, oder aber per pedes die zwei Kilometer durch die Haupt-Allee, oder aber auch gleich direkt durch die Krieau hin bis zur österreichischen Fußball-Herrlichkeit. Für das Kind war es immer wieder ein echtes Erlebnis gewesen, als man am Horizont nach den riesigen schier in den Himmel reichenden Baumwipfeln der Rosskastanie, der Schwarz- und Silber-Pappeln, nun auch endlich den dritten Rang der überdimensionalen Beton-Schüssel erspähen zu können. Das Stadion hatte damals noch kein Dach – der diesbezügliche Umbau erfolgte in den Jahren 1984 bis 1986 – und man saß, oder stand – je nach dem wo es noch Karten gab – im 2. oder 3. Rang und war immer wieder aufs Neue begeistert. Von der Stimmung, den Besucherzahlen, dem schönen Wetter und auch den gezeigten Leistungen am Rasen, denn öde Derbys gab es genau genommen nie.
Man hatte natürlich einen, seinen Favoriten und fühlte sich einem Team hingezogen. Es waren aber nicht die, die das immerwährende Grün zu jeder Jahreszeit propagierten, sondern die anderen, die Violetten, die „Prater-Veigerln“, um an dieser Stelle auch an den beliebten Schauspieler und Operettensänger Richard Eybner zu erinnern.
Die Leichtigkeit des Seins, die fußballerische Grazie, die Gazelle mit dem immensen Lockenkopf, die Ballerina-Bewegungen dieser Nummer 8, die wie selbstverständlich über noch so manch grimmiges Verteidiger-Bein förmlich hinwegzuschweben vermochte, dieser Glanz und das Genie des Herbert „Schneckerl“ Prohaska, eines Ästheten am Ball – selbst vom Juchhe des 3. Ranges aus – zusehen zu können – das Kind war glückselig und begeistert. Aber auch die Beine – nicht von der Dolores – sondern von Felix Gasselich waren aller Ehren wert. Der „Lixl“ stand dem Schneckerl in Sachen Trickserei und Ballverspieltheit um nichts nach und als Prohaska 1980 nach Italien ging, war er es, der Gasselich, der den Schneckerl beinahe in Vergessenheit geraten ließ. Es kusierte damals auch ein Wortwitz, der besagte, wenn man mit dem Rastelli Gasselich in einer Telefonzelle eingesperrt wäre, würde das freilich auch nichts nützen, denn Ball bekäme man ohnehin selbst auch nach zwei Tagen noch keinen zu Gesicht.
Die anderen, die Grünen, die von RAPID, die hatten einen Mann, der stets für Gefahr sorgte – natürlich den Hans Krankl! Der Goleador war immer brandgefährlich, gegen die Austria übermotiviert und seine Granaten mit dem linken Pratzerl stets eine Wucht für die Baumgartner Huberts oder Koncilia Friedls im FAK-Kasten. Seltsamerweise erinnert man sich heute nur an Austria-Siege, wenngleich es natürlich auch bittere Niederlagen gab. Aber über die wird der Mantel des Schweigens, der Verdrängung und der Vergessenheit gebreitet.
Spielort Prater
Im Laufe der Geschichte trafen die beiden Wiener Großklubs im Praterstadion 126 Mal aufeinander. Die Bilanz dort spricht mit 54 : 48 Siegen für RAPID. Und wenn es nun am kommenden Sonntag, 15. April 2018, 16.30 Uhr zum 326. Derby kommt, dann dürfte dies wohl für sehr lange Zeit das letzte seiner Art im Praterstadion sein. Nachdem RAPID von 2014 bis 2016 seine Heimstätte umgebaut hatte, war in den Jahren 2016 bis 2018 die Austria dran. Die GENERALI-Arena NEU steht vor der unmittelbaren Realisierung und ab Herbst 2018 wird der FAK dort wieder seine sämtlichen Heimspiele austragen. Und da auch die Österreichische Nationalmannschaft daran Gefallen gefunden hat, Länderspiele in den Bundesländern – wie beispielsweise derzeit in Klagenfurt – auszutragen, wird das Ernst Happel-Stadion im Wiener Prater über kurz oder lang wohl nicht mehr bespielt werden. Die Rufe nach einem reinen Fußball-Stadion – ohne Laufbahn, mit Zuschauer-Rängen, die bis zum Spielfeld reichen – in Wien für den ÖFB verstummen ohnehin nicht mehr. Es kann daher durchaus sein, dass, sieht man einmal von dem Brasilien-Gastspiel beim ÖFB am 10. Juni 2018 ab, dieser Prater als geschichtsträchtiger Spielort bald der Vergangenheit angehören wird. Inwieweit sich dies alles noch bestätigen wird, zeigt die Zukunft.
Unvergessen bleiben jedoch stets die Ausflüge mit dem Opapa in den 1970er und 1980er Jahren per Bahn nach Wien, als es wieder einmal hieß: „Die AUSTRIA trifft auf RAPID, gespielt wird im Praterstadion …“