Béla Guttmann (* 27. Jänner 1899 in Budapest, † 28. August 1981 in Wien) war einer der erfolgreichsten Trainer in der Geschichte des Fußballsports. Foto: Sammlung Guttmann / oepb

Aus Anlass des morgigen UEFA Champions League Finales 2022/23 möchten wir heute und hier an den Wahl-Wiener Béla Guttmann aus Budapest erinnern, der als erster Österreicher den Europapokal der Landesmeister – heutige UEFA Champions League – in Sachen Fußballsport gewonnen hatte. Béla Guttmann feierte als Trainer mit dem „Sport Lisboa e Benfica“, wie der im Jahre 1904 gegründete Verein Benfica Lissabon offiziell heißt, mit dem Doppelgewinn des Europapokals der Landesmeister 1960/61 und 1961/62 seine wahrhaft größten Erfolge.

Heute ist der Name Béla Guttmann so gut wie vergessen. Nur mehr ältere Zeitzeugen wissen, dass Guttmann 1964 aufgrund eines längeren Urlaubs in Wien auch gleich vom ÖFB als Teamchef engagiert wurde. Und auch der FK Austria Wien kam kurz in die Tätigkeits-Gunst dieses Startrainers. Im Frühjahr 1973 coachte er die Wiener Violetten und impfte der jungen Elf wieder das Gen des Toreschießens ein.

Kindheit in Budapest

Als Béla Guttmann am 27. Jänner 1899 in Budapest als zweiter Sohn jüdischer Eltern zur Welt kam, regierte in Wien Kaiser Franz Joseph I. und die Österreichisch-Ungarische Monarchie hatte als wahrer Vielvölkerstaat noch Bestand. Seine Eltern Eszter (geborene Szántó) und Abraham waren als Tanzlehrer aktiv, was dem jungen Béla eine offene und liberale Erziehung einbrachte. Der Fußball war in Budapest bereits damals eine feste Größe. Seit den 1890er Jahren wurde diese Sportart ausgeübt und im Jahre 1901 wurde die erste Landesmeisterschaft ausgespielt. Das aus England importierte Ballspiel war in Ungarn höchst populär. Als Guttmann zur Welt kam, existierten in Budapest bereits 63 aktive Fußballvereine. Mit 17 Jahren – 1916, mitten imGroßen Krieg (später als Erster Weltkrieg 1914-18 bekannt) gab Béla Guttmann sein Debüt für Törekvés Budapest. Ein Jahr zuvor erhielt der 16-jährige sein Diplom als Lehrer für klassische Tänze. Der Zivilberuf war somit gegeben, Guttmann konnte sich von nun vermehrt seiner großen Leidenschaft, dem Fußballspiel zuwenden. Sein angewandter Stil sorgte sehr bald schon für Aufsehen. Dank der Tanzausbildung sowie der liberalen Erziehung seiner Eltern verfügte er einerseits über ein ausgeprägtes Selbstvertrauen und andererseits über einen verhältnismäßig hohen Grad an Körperbeherrschung. Guttmanns geschmeidiger, eleganter und technisch hochbegabter Spielstil wurde allerorts beachtet und von seinen Gegenspielern gefürchtet.

Durchbruch bei MTK

Der junge Guttmann, der nicht nur als Tanzlehrer, sondern auch als Tennisspieler eine gute Figur abgab, erhielt Angebote von Topklubs. Den Zuschlag erhielt ein vom jüdischen Kaufmannstum geförderter Verein, der MTK Budapest. Guttmann kam, so erzählte er Jahre später, in ein Schlaraffenland. MTK verfügte mit dem Schotten John Tait Robertson über einen Profitrainer. Kurz darauf, 1917, trat mit Jimmy Hogan einer der damals berühmtesten Fußballtrainer in die Fußstapfen von Robertson. Der einstige Profi der Bolton Wanderers war auf Vermittlung des österreichischen Verbandskapitäns Hugo Meisl direkt aus der Kriegsgefangenschaft nach Budapest gelangt und verwandelte eine eher handwerklich begabte Truppe in eine Elf von Filigrantechnikern, die zum Prototyp des berühmten „Donau-Stils“ avancieren sollte. Und Béla Guttmann war einer von ihnen, einer jener Kräfte, die 1920/21 die Meisterschaft gewinnen sollte. Die Problematik war nun jene, dass MTK mit Stars gespickt war und Guttmann nicht immer zwingend die erste Geige spielte. Er debütierte zwar am 5. Juni 1921 für die Ungarische Nationalmannschaft beim 3 : 0-Erfolg über Deutschland, aufgrund des fehlenden Stammplatzes im Verein sollte er allerdings erst wieder 1924 den ungarischen Nationaldress tragen können.

Der Gang nach Wien

Die Wiener Stadt – und auch die spätere Freundschaft mit Hugo Meisl – hatte es Guttmann von Anbeginn angetan. Jahrzehnte später, Guttmann war längst einer der erfolgreichsten Fußballtrainer der Welt geworden, saß er traurig in einem Café in Sáo Paulo und wünschte sich in ein Wiener Kaffeehaus zurück, um dort mit guten Freunden eine Melange zu genießen und über Fußball plaudern zu können. Wien wurde also ab Mitte der 1920er Jahre zu seiner Wahlheimat. Immer wieder kehrte er gerne in die Donau-Metropole zurück. Sei es, um Urlaub zu machen oder aber auch – wie anfangs erwähnt – Trainertätigkeiten beim ÖFB und der Austria zu übernehmen. In Wien sollte er auch zur Ruhe kommen, doch dazu später.

Meister mit Hakoah

Der SC Hakoah Wien gilt als der erste Profi-Meister in Österreich. Die Blau-Weißen sollten 1924/25 ihren einzigen Titel einfahren. Guttmann, der ein begnadeter Fußballer war, schlüpfte in die Rolle des Spielgestalters. Aber auch seinen Geschäftssinn entwickelte er zur Vollendung in Wien. Nachdem in Österreich 1924 das Profitum beim Fußballsport Einzug gehalten hatte, ließ sich Guttmann seinen Anteil am sportlichen Erfolg der Hakoah ordentlich entlohnen. „Leistung muss bezahlt werden.“, so sein Credo, das ihn Zeit seines Lebens begleiten sollte. Die Erfahrungen, die Béla Guttmann im Wien der 1920er Jahre machte, prägten ihn und machten aus ihm jenen Gentleman, den er später immer wieder erfolgreich darzustellen vermochte.

Béla Guttmann (Bildmitte) im Dress des SC Hakoah Wien in einem seiner letzten Spiele für die Wiener. Hier im Luftkampf gegen Viktor Hierländer (Amateure, heutige FK Austria Wien). Hakoah-Keeper Alexander Fabian (ganz links) beobachtet die Szene. Aus SC Hakoah Wien gegen Wiener Amateur Sportverein (3 : 3) vom 6. Dezember 1925. Foto: Sammlung Guttmann / oepb

Gentleman Guttmann bereist die große weite Welt

Mit der Wiener Hakoah gab es alljährlich Auslandstourneen zu diversen Freundschaftsspielen, die das Team in die unterschiedlichsten Regionen der Welt brachte. Der Balkan, das Baltikum, Nordafrika, Palästina und last but not least die Vereinigten Staaten von Amerika. Nachdem es in Europa in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre aufgrund des aufkeimenden Antisemitismus immer schwieriger wurde, Tourneen der jüdischen Hakoah zu veranstalten, gelang es dem umtriebigen Hakoah-Präsidenten Ignatz Körner, eine verlockende Werbereise durch die USA für seine Wiener Hakoah zu lukrieren. Am 17. April 1926 kam das Team nach einer langen Dampferfahrt im Hafen von New York an und wurde dort begeistert empfangen. Hakoahs Reise trug einen großen Teil zur Popularitätssteigerung des Fußballsports in den USA bei. New York, Philadelphia, St. Louis, Chicago, Providence, so lauteten die Reiseziele der Hakoah aus Wien „from good old Europe“. Und Guttmann fand am Lebensstil der Amerikaner derart Gefallen, dass er – gemeinsam übrigens mit Max Grünwald, Moritz Häusler und Ernö Schwarz – in den Staaten blieb. Die New York Giants boten um ein Vielfaches mehr an Gage als die Wiener, so fiel es Guttmann nicht schwer, fortan als Legionär sein Geld zu verdienen. Der damals 27-jährige war somit zum mutigen Geschäftsmann geworden.

Die Jahre in den USA

Am 22. September 1926 debütierte Guttmann im Spiel gegen Springfield für die NY Giants. Bis 1929 absolvierte er für die Giants 85 Pflichtspiele, ehe sein Verein aufgrund konkurrierender Fußballverbände suspendiert wurde. Die nun arbeitslosen Fußballer schlossen sich der neu gegründeten New Yorker Hakoah an, die als Ableger der Wiener Hakoah galt. Dann der 25. Oktober 1929, der als „Schwarzer Freitag“ in die Börsengeschichte eingehen sollte. Die von Mäzenen und Sponsoren abhängige amerikanische Fußballlandschaft geriet durch den Börsecrash derart aus den Fugen, sodass die Liga und der Spielbetrieb komplett strauchelte. 1932 dann der Knall: Die American Soccer League mit all ihren Klubs kollabierte und bis 1933 gab es keinen geregelten Spielbetrieb mehr. Für Guttmann hieß es Abschied nehmen: Abschied aus den USA und Abschied von der aktiven Laufbahn. Am 24. April 1932 bestritt der 33-jährige Béla Guttmann sein letztes Pflichtspiel. Eine große und schillernde Fußball-Karriere ward somit beendet.

Schlusspfiff am Rasen, Anpfiff auf der Trainerbank

Genau genommen war Béla Guttmann mit dem Fußballsport derart verwurzelt, sodass etwas anderes außer der Trainer-Laufahn für ihn nie in Frage gekommen wäre. Guttmann inhalierte als Aktiver alles, was Taktik, Technik, psychologische Menschenführung und Disziplin anlangte. Auch hatte er auf seinen zahlreichen Auslandstourneen mit seinen Klubs nicht nur Land und Leute kennengelernt, Guttmann kam auf den Geschmack, dieser Art des Lebens treu bleiben zu wollen. Reisen durch die Welt, fremde Kulturen zu erforschen und das alles mit und durch den Fußballsport zu erreichen, Guttmann war glücklich und war sich sicher, dass dies – der Trainerjob – sein weiterer Lebensweg sein sollte.

Der Start als Trainer – natürlich – in Wien

Guttmann kehrte also aus den Vereinigten Staaten nach Europa und da in seine geliebte Wiener Stadt zurück. Das Problem war jedoch, dass es in Europa brodelte. Adolf Hitler war seit 30. Jänner 1933 Reichskanzler in Deutschland und für die jüdischen Mitbürger verhieß das nichts Gutes. In Rom, in Berlin und auch in Wien waren die Vorboten des immer mehr aufkeimenden Nationalsozialismus allerorts zu spüren. Guttmann wollte dies alles jedoch nicht wahr haben und stürzte sich in seine neue Aufgabe. Die Hakoah aus Wien, 1925 noch ruhmreicher Fußballmeister gewesen, war nach einem Abstieg 1930 zwar wieder aufgestiegen, dümpelte allerdings in der Liga im grauen Mittelmaß umher. Guttmann ließ sich von den antisemitischen Anfeindungen anhand der sportlichen Auftritte mit seiner Hakoah in Wien nicht beirren, dennoch gelang es ihm nicht, die Hakoah zu alter Stärke zurückzuführen.

Der Gang nach Holland

Béla Guttmann sollte später einmal sagen: „Ich bin ein internationaler Fachmann ohne Klubfanatismus. Mein ganzes Können verkaufe ich jedoch meinem jeweiligen Verein nur für eine bestimmte Zeit. Wenn ich mit einer fanatischen Anhänglichkeit für irgendeinen Klub belastet wäre, könnte ich niemals voller Hingabe bei einem neuen Verein arbeiten. Dies wäre auch für meine Gage ein Betrug.“ Was war geschehen? Nachdem er den FC Porto 1958/59 zum Meisterthron geführt hatte, kam ihm das Angebot von Benfica Lissabon gerade recht. Zuerst dachte man, dass Guttmann nach Lissabon entführt worden war. Doch weit gefehlt.  Der ungarische Gentleman aus Wien nahm ein sehr gutes Angebot aus der portugiesischen Hauptstadt an und galt von nun an in Porto als Fahnenflüchtiger. Bis zu seinem Abschied aus Portugal 1966 konnte Guttmann nur unter starkem Polizeischutz als gegnerischer Trainer beim FC Porto an- und auftreten. Und so verhielt es sich auch am Beginn seiner Trainer-Laufbahn. Guttmann merkte, dass mit der Hakoah aus Wien nicht mehr möglich sei, also verließ er nach zwei Jahren die Wiener und heuerte 1935 anhand seiner ersten ausländischen Trainerstation, beim SC Enschede, an. Guttmanns väterlicher Freund Hugo Meisl empfahl ihn in Holland.

Die Niederlande in den 1930er Jahren

Der Fußballsport in den Niederlanden war damals bestenfalls zweitrangig. Für Guttmann ein Rückschritt? Mitnichten! Der Provinzklub steckte in schweren Abstiegsnöten. Es gelang Guttmann binnen kürzester Zeit, das Team zu stabilisieren und zum Erfolg zu führen. Am Ende sprang der sensationelle 3. Meisterschaftsrang dabei heraus. Doch Guttmann wäre nicht Guttmann gewesen, hätte er nicht weitergedacht. Für das Jahr darauf ließ er sich eine Meister-Prämie in den Vertrag schreiben. Der Präsident dachte an einen Scherz und willigte ein. Das Problem war nun, dass der SC Enschede von Erfolg zu Erfolg eilte. Die Niederländer beherzigten Guttmanns Motto „Den kürzesten Weg zum Tor zu suchen und dann – Schießen, Schießen, Schießen!“ dermaßen, dass dem Underdog durchaus realistische Meisterschafts-Chancen eingeräumt wurden. Im Halbfinale gegen Feyenoord Rotterdam war für die Himmelsstürmer jedoch Schluss. Der Enscheder Klubführung fiel ein Stein vom Herzen, denn wie sich später herausstellen sollte, hätte die Meistertitel-Prämie für Béla Guttmann die finanziellen Grundmauern des SC Enschede dermaßen erschüttert, dass der Klub ruiniert gewesen wäre. „Erfolg hat eben seinen Preis!“, so Béla Guttmann.

Zurück in Wien im Jahre 1937

Guttmann kehrte nach Wien zurück und nahm sich erneut der Hakoah an. Die waren inzwischen zwar wieder in die 2. Liga abgestürzt, mit Guttmann kehrte jedoch der Erfolg zurück und man hatte berichtige Aufstiegschancen. Dann der 13. März 1938! Österreich hörte über Nacht zu existieren auf, mit dem politischen Anschluss an „Hitler-Deutschland“ wurde nicht nur der SC Hakoah Wien kurzerhand aufgelöst, zigtausende Juden wurden von nun an im ganzen Reich gejagt, enteignet, vertrieben und ermordet …

Die Flucht nach Ungarn

Guttmann emigrierte nach Budapest und übernahm im Sommer 1938 Újpest FC. Sehr zur Freude der Violett-Weißen, denn mit 95 Toren in 26 Spielen mit lediglich zwei Saisonniederlagen wurde Ùjpest 1939 Fußballmeister. Doch dem nicht genug, gewann man auch im gleichen Jahr den Mitropapokal, den damals begehrtesten Wettbewerb für mitteleuropäische Vereinsmannschaften.

Die Flucht geht weiter

Da am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begonnen hatte, musste Guttmann wieder fliehen. Das reaktionäre ungarische Regime zog an Hitlers Seite in den Kampf. Es galten in Ungarn auch die verschärften Nürnberger Rassegesetze wie in Wien, folglich war die Geburtsstadt Budapest für den Juden Béla Guttmann kein sicherer Heimathafen mehr.

Hochzeit mitten im Krieg

Béla Guttmann war viele Jahre Junggeselle. Durch sein stetes Reisen durch aller Herren Länder, seine andauernden Ortswechsel von Berufs wegen, hielt es kaum eine Frau lange mit ihm aus. Bis Marianne Moldovan in sein Leben trat. Die zierliche und elegante Dame an seiner Seite bot ihm die elementar wichtige Stütze für seine weitere Karriereplanung. Frau Moldovan galt als „Dame von Welt“, die sich stets schick und modisch gekleidet hervorragend im Umgang mit der Fußballprominenz bewies. 1942 erfolgte die Hochzeit. Die Ehe blieb jedoch kinderlos. Wo genau sich das Ehepaar Guttmann während des Zweiten Weltkrieges aufhielt, lässt sich nicht lückenlos nachvollziehen. Es hieß, dass das Ehepaar Guttmann in der Schweiz lebte.

The War is over

Kurze Zeit nach Kriegsende im Mai 1945 tauchte Béla Guttmann wieder auf der Fußballbühne auf. Vasas Budapest war seine nächste Station. Da die Blau-Roten gute Kontakte zur Lebensmittelindustrie unterhielten, ließ sich Guttmann in seinen Vertrag einen Passus schreiben, der ihm die Hälfte der Prämie in Naturalien gewährte. Da das Geld ohnehin in jener Zeit wenig einbrachte, weil die Märkte leer waren, hatte das Ehepaar Guttmann so immer genug zu essen. Doch der Sonnenschein verzog sich bald. Dass ein von Guttmann trainiertes Team innerhalb kürzester Zeit sportlichen Erfolg aufzuweisen hatte, muss wohl nicht mehr näher erörtert werden. Und dennoch … Guttmann brach mit Vasas, da es sich hochrangige Funktionäre nicht nehmen ließen, sich in seine Arbeit einzumengen und die Mannschaftsausstellung diktieren zu wollen. Wenn Guttmann nach einem Sieg in der Kabine vor versammelter Truppe die nächsten beiden Tage frei gab, mokierte sich der Präsident, dass dies doch nicht ginge, da man für den weiteren Erfolg emsig trainieren müsse. Und als dann auch noch die Aufnahme von weniger begabten Spielern in die Startelf gefordert wurde, platzte Guttmann der Kragen: „Bei einem solchen Klub, wo sich so etwas abspielt, kann ich keine Minute mehr bleiben. Da hungere ich lieber, als meinen Prinzipien untreu zu werden!“

Jahrzehntelanges Nomadensein

Von nun an, ab dem Jahre 1946, heuerte Guttmann bei zahlreichen Fußballvereinen überall auf der Welt an. Rumänien, Ungarn, Italien, Zypern, Brasilien, Portugal, Uruguay, Österreich, Schweiz und Griechenland, so lauteten jene Länder, in denen er als Trainer aktiv war. Sein nicht immer ungetrübtes Verhältnis zu den Funktionären trieben ihn oftmals zur Weißglut. Diese „komischen Wesen“ (Zitat Guttmann) sind ein Kapitel für sich. Immer wieder wurden Auseinandersetzungen heraufbeschworen, die Guttmann vorzeitig seine Koffer packen ließen. Ihn jedoch als Hitzkopf oder gar Egoisten hinzustellen wäre falsch. Der Mensch Guttmann liebte den Fußballsport und seine jeweiligen Mannschaften. Für die war er bereit, durch das sprichwörtliche Feuer zu gehen. Wenn sich dann allerdings „komische Wesen“ in seine Arbeit einzumengen versuchten, blieb er schlichtweg seinen Prinzipien treu und zog weiter. Darüber hinaus wollte er ohnehin nie länger als zwei Jahre bei ein und demselben Klub verweilen, weil er die Ansicht vertrat, noch ehe sich die Sache abnützt müsse er gehen. So ist wohl am besten zu erklären, wie er insgesamt auf 27 Trainer-Stationen kam.

Große Ausnahme – Benfica Lissabon

Die Beziehung von Guttmann zu Sport Lisboa e Benfica harmonierte von Anbeginn. Der ungarische Wahl-Wiener Béla Guttmann führte den Verein vom Tejo zu seinen – bis in unsere heutige Zeit hineinreichend – allergrößten Erfolgen. Und das kam so: Nach der gewonnenen Meisterschaft mit dem FC Porto 1958/59, sowie der erfolgten Vertragsunterzeichnung in Lissabon und einem Urlaub in Wien fand sich Guttmann pünktlich zum Trainingsstart im Sommer 1959 im Estádio da Luz ein. Nachdem er vier Wochen lang das vorhandene Spielermaterial gesichtet und beobachtet hatte, mistete er rigoros aus. Der aufgeblähte Kader von 35 Spielern wurde auf 18 Aktive reduziert. Sein Argument, dass Spieler, die nicht spielen, nur Unruhe stiften, wurde verwundert zur Kenntnis genommen. Mit einem 20 Mann-Kader ging es in die Saison. Das Team wurde unter Guttmann 1959/60 auf Anhieb Meister und sorgte ein Jahr später auch im Europapokal der Landesmeister – heutige UEFA Champions League – für Furore.

Béla Guttmann trainierte gerne mit Hut, Mantel und Anzug, wie in diesem Fall als ÖFB-Coach 1964 im Praterstadion. Hie und da fragte er die Journalisten: „Was meinen Sie, soll ich gehen mit Hut in der Hand zur Bank? Oder wäre es besser, ich gehe mit Hut und nehme ihn dann erst vor der Bank vor den Leuten ab, um sie so zu grüßen.“ Foto: Sammlung Guttmann / oepb

Benfica mit Guttmann zweimal in Wien

Benfica Lissabon war im Europapokal der Landesmeister 1960/61 am Weg ins Endspiel nicht aufzuhalten. Im Halbfinale traf man am 4. Mai 1961 im Praterstadion vor 63.000 Zuschauern auf den SK Rapid Wien. Die Hütteldorfer, die das Hinspiel mit 0 : 3 verloren hatten, rechneten sich nur geringe Chancen aus. Beim Stand von 1 : 1 kam es in der 85. Spielminute zum Eklat. Nachdem ein Benfica-Spieler einen RAPIDler im Strafraum gefoult hatte, der Referee aber weiterspielen ließ, explodierte die Masse im Hexenkessel. Ein gellendes Pfeifkonzert setzte ein und Gegenstände flogen Richtung Spielfeld. Als das Match bei 1 : 1 in der 89. Spielminute abgebrochen wurde, ging es so richtig los. Die Wiener Polizei hatte alle Hände voll zu tun, um die Benfica-Mannschaft und das englische Schiedsrichter-Trio heil in die Kabinen zu bringen. Fensterscheiben gingen zu Bruch und die anwesenden Benfica-Schlachtenbummler wurden verprügelt, sowie ihre mitgebrachten Fahnen verbrannt. Erst nach Mitternacht – Spielbeginn war um 19.30 Uhr – beruhigte sich die Lage einigermaßen. Béla Guttmann meinte dazu später: „Wenn ich Schiedsrichter gewesen wäre, hätte ich kurz vor Spielschluss dem Volk zuliebe rein aus diplomatischen Gründen einen Elfmeter gegen meine Mannschaft gegeben. Damit hätte RAPID vermutlich mit 2 : 1 gewonnen, wir wären trotzdem im Endspiel gestanden und kein Mensch in Portugal hätte sich darüber aufgeregt. Mit dem nicht gegebenen Penalty wurde die Masse aber zum Rasen gebracht. Tja, das ist eben die Kehrseite vom schönen Fußballspielchen.“

Benfica wähnte sich im siebten Fußball-Himmel, als im Endspiel der große und haushohe Favorit FC Barcelona am 30. Mai 1961 im Wankdorf-Stadion zu Bern mit 3 : 2 geschlagen wurde. Guttmann war am Zenit!

Jene 80.000 Zuschauer, die am 31. Oktober 1961 im Wiener Praterstadion der Europapokal-Begegnung zwischen dem FK Austria Wien und Benfica Lissabon beiwohnten, gelten bis heute als die höchste Besucherzahl eines Österreichischen Fußballvereins. Im Bild das Matchprogramm von damals. Sammlung: oepb

Benfica versus FK Austria Wien

Als regierender Sieger des Europapokals der Landesmeister ging es im Achtelfinale 1961/62 erneut nach Wien. Guttmann war höchst erfreut, als es hieß, dass man auf die Austria treffen sollte. Am 31. Oktober 1961 war es soweit. „Die Leute rissen uns in unserem Sekretariat in der Himmelpfortgasse die Karten aus den Händen und ich musste mehrmals am Tag mit den Einnahmen aus dem Vorverkauf zur Bank fahren, so groß war der Andrang zu diesem Spiel.“, erinnerte sich Jahre später Austria´s Langzeit-Sekretär Norbert Lopper an jene Zeit. Nun, die über 80.000 Besucher, die im Wiener Praterstadion der Partie FK Austria Wien gegen Benfica Lissabon beiwohnten, gelten bis heute als jenes Match mit den meisten Zuschauern – auf Klubfußball-Ebene. Die Nationalmannschaft Österreichs verbuchte 1960 über 90.000 Zuschauer bei ihrem Spiel in Wien gegen Spanien. In Wien trennte man sich 1 : 1, in Lissabon ging die Austria völlig chancenlos mit 1 : 5 unter.

Titelträger verteidigt Triumph

In der Meisterschaft war Benfica 1960/61 wieder Meister. José Aguas, der 1963/64 bei Austria Wien unter Vertrag stand, wurde mit 27 Toren Schützenkönig und auch im Europapokal setzte der Siegeszug fort. Der Stern eines 19jährigen dunkelhäutigen Stürmerstars, der um 500.000 Schilling aus der Kolonie Mozambique geholt wurde, war am Aufgehen, jener von Eusebio. Sein Entdecker und Förderer Béla Guttmann war von ihm begeistert. Und dieser erwiderte diese Begeisterung seines Trainers mit hervorragenden Leistungen. In der heimischen Meisterschaft landete der nationale Doppel-Champion Benfica Lissabon 1961/62 zwar „nur“ auf dem 3. Platz, international blieb man jedoch ganz oben. Im Olympiastadion zu Amsterdam versammelte sich am 2. Mai 1962 die absolute Spitze des europäischen Klubfußballs. Der Titelverteidiger Benfica Lissabon traf auf das „Weiße Ballett“ von Real Madrid, die von 1956 bis 1960 fünfmal in Serie den Europapokal der Landesmeister gewonnen hatten. „Wir können nicht verlieren, denn niemand gibt uns eine Chance. Genau das ist unsere Chance!“, diese Worte impfte der gewiefte Guttmann seinem Team ein. Und siehe da, mit 5 : 3 besiegten seine Lissaboner Löwen die „Königlichen“, wenngleich diese nach 23 Minuten bereits mit 2 : 0 geführt hatten. Nach diesem Triumph war auch den letzten Skeptikern klar geworden, welch herausragende Trainerpersönlichkeit Béla Gutmann war, denn das Erfolgsteam trug deutlich seine Handschrift. Der 2. Mai 1962 kann somit durchaus als der größte Tag in der Trainer-Laufbahn von Béla Guttmann bezeichnet werden.

Béla Guttmann (ganz rechts) im Frühjahr 1973 als Trainer des FK Austria Wien. Neben ihm Josef Pecanka und Löwy. Foto: Sammlung Guttmann / oepb

Die Arbeit geht weiter

Obwohl bereits 63 Jahre alt, ging es für Béla Guttmann von nun an noch einmal um die halbe Welt. Aus Uruguay kommend zurück in Wien wurde er im Jahre 1964 kurzzeitig Teamchef der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft. Seine Bilanz: 1 : 1 in Holland, 1 : 0 gegen Ungarn in Wien, 0 : 2 gegen Uruguay in Wien, 3 : 2 gegen Jugoslawien in Wien und 1 : 0 gegen die UdSSR in Wien – demnach 3 Siege, 1 Remis und 1 Niederlage.

Der Rast- und Ruhelose kommt nach Hause

Guttmann gönnte sich immer wieder Pausen zwischen seinen Trainer-Tätigkeiten. Und dennoch funkeln seine Augen, wenn er ein neues Engagement annimmt. Benfica Lissabon, Servette Genf, Panathinaikos Athen, FK Austria Wien (Frühjahr 1973) und der FC Porto, so sollten seine letzten Trainer-Stationen lauten. Es hieß zwar immer mehr, dass Guttmann seinen Zenit längst überschritten hatte, dennoch gelang es ihm immer wieder, den von ihm betreuten Mannschaften seinen Stil aufzuzwingen. Und der war nach wie vor ganz einfach: „Den kürzesten Weg zum Tor zu suchen und dann – Schießen, Schießen, Schießen!“

Eine imposante Karriere

In der Zeit von 1917 bis 1974 war Béla Guttmann anhand von insgesamt 35 Spieler- und Trainerstationen in 10 verschiedenen Ländern auf 4 Kontinenten der Welt tätig und errang mit seinen jeweiligen Teams 16 Titel und Trophäen.

Die letzte Ruhestätte am Zentralfriedhof in Wien

Nachdem für den 75jährigen Trainer Béla Guttmann im Sommer 1974 beim FC Porto endgültig Schluss war, zog er sich als Privatier mit Gattin Marianne gemütlich in sein geliebtes Wien zurück. Ab und an traf man ihn in einem der damals noch sehr zahlreich vorhanden Wiener Kaffeehäuser, oder aber auf der Hohen Warte, im Praterstadion oder auf dem Horr-Platz. Einer der größten Fußballtrainer der Welt war endlich zur Ruhe gekommen und konnte die letzte Jahre seines Lebens in Wien genießen, als Fußballplatz-Besucher und Beobachter in einem der hiesigen Stadien.

Am Wiener Zentralfriedhof, Tor 4, fand Béla Guttmann seine letzte Ruhestätte. Welchen Stellenwert er für die Supporters von Benfica Lissabon heute noch hat, beweist der Fan-Schal links neben dem Grabstein. Foto: © oepb

Der am 27. Jänner 1899 in Budapest zur Welt gekommene Béla Guttmann schloss am 28. August 1981 in Wien die müden Augen für immer. Béla Guttmann sollte als einer der größten Fußball-Lehrer unserer Zeit in die Geschichte eingehen und bleibt somit unvergessen. 

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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