“Einen Tag vor dem Europapokalspiel-Rückspiel im Bewerb des Europacups der Cupsieger zwischen Austria Memphis und Dynamo Moskau hieß es heute, 11. April 1978 gegen 11 Uhr „AUSVERKAUFT“ im Austria-Sekretariat, in der Schellinggasse 6, Innere Stadt in Wien.”
Angelika Wanek, die freundliche Dame und sprichwörtlich gute Fee im FAK-Büro konnte nur mehr erschöpft mit den Schultern zucken und verkünden, dass es partout keine Karten, nicht einmal mehr Restplätze, gibt.
„Wir hätten für dieses Spiel sogar 100.000 Karten verkaufen können!“, so ein sichtlich erfreuter Norbert Lopper, seines Zeichens geschäftstüchtiger und umtriebiger Austria-Sekretär auf eine seinerzeitige oepb-Anfrage.
Nun, die Wiener Austria, die vor 40 Jahren unter dem Namen Austria Memphis firmierte, war in jener Zeit in aller Munde. In der heimischen Meisterschaft eilten die Violetten der Konkurrenz auf und davon. Nach 32 absolvierten Runden war die Austria bereits Meister, hatte 49 Punkte – 2-Punkte Regel für den Sieg – aufzuweisen (20 Siege, 9 Remis bei 3 Niederlagen), während RAPID 11 Punkte dahinter und Wacker Innsbruck deren gar 15 Punkte Rückstand auf die Austria erspielt hatte. Neben der allgemeinen Fußball-Euphorie im Lande – Österreich war 1978 nach 20 Jahren wieder für eine Weltmeisterschaft qualifiziert – kam auch noch der Höhenflug der Wiener Veilchen im Europapokal dazu.
Das Hinspiel gegen Dynamo Moskau wurde zwar mit 1 : 2 verloren, aber im Rückspiel wusste man alle Trümpfe in der Hand, um sich erstmals als österreichisches Team für ein Europacup-Endspiel qualifizieren zu können. Der Weg nach Paris in den Prinzenpark zum Finale war nur mehr 90 Minuten – oder doch mehr? – entfernt.
„Es gab einen wahnsinnigen Fan-Ansturm auf dieses Rückspiel – sie mussten die Johannesgasse sperren lassen, weil beim Sekretariat in der Schillinggasse zu viele Leute waren. Auch wir Spieler haben Karten verkauft!“, erzählt der damalige Kapitän und Spielführer Robert Sara, mit 727 Pflichtspielen und 15 Titeln Rekord-Austrianer und Ehrenkapitän.
Die Öffentlichkeit nahm von dem ganzen Drumherum damals folgendermaßen Notiz
Der Radio-Sender Ö3 brachte mit dem Anstoß ab 19.30 Uhr Live-Einstiege aus dem Prater und der ORF zeigte auf FS1 ab 21.15 Uhr eine Spiel-Aufzeichnung. Summa summarum und mit den 72.000 Zuschauern im Rücken verblieb der Austria damals eine Brutto-Einnahme von 7 Millionen Schilling (€ 508.710,00)
Tor und damit Verlängerung quasi mit dem Schlusspfiff
Die Austria verlor das Hinspiel in Moskau mit 1 : 2. Ein 1 : 0 in Wien hätte folglich genügt. Zur Halbzeit im Prater stand es 0 : 0 – es war somit noch nichts entschieden. Als Hans Pirkner in der 49. Minute das 1 : 0 für Violett aus einem Elfmeter heraus erzielte, brodelte die Arena. Als Julio Morales in der 56. Minute auf 2 : 0 erhöhte, hing der Himmel voller Geigen. Zu blöd war der Anschlusstreffer von Andrei Jakubik in der 90. Minute, der eine Patt-Stellung samt Verlängerung nach sich zog.
Irgendwie retteten sich beide Teams ins Elfmeterschießen, wenngleich Austria-Coach Hermann Stessl nach dem Spiel meinte, dass ein 3 : 0 gerechter gewesen wäre. Und nun kam die Sternstunde von Hubert Baumgartner, der damals in der Europacup-Saison 1977/78 seinen Spitznamen „Penaltykiller“ verliehen bekam. Baumgartner, damals 23 Jahre jung, war Gefreiter und noch bis Ende Mai 1978 beim Österreichischen Bundesheer stationiert. Beim Stand von 4 : 4 wehrte Baumgartner den Elfmeter von Aleksandr Bubnov ab. Es war dies der vierte von Baumgartner parierte von in Summe neun gegen die Austria verhängten Elfmetern in der gesamten Europacup-Saison. Baumgartner reiste damals als dritter ÖFB-Torhüter mit nach Argentinien.
Ein „Uru“ machte alles klar
Und nun, beim Stand von 4 : 4, war Alberto Martinez an der Reihe. Sein Schuss, sein Elfmeter, könnte ihn unsterblich werden lassen. Der Mann aus Uruguay war gemäß eigener Aussage absolut nicht aufgeregt, lief an und ließ 72.000 Zuschauer im weiten Rund in kollektive Ekstase verfallen. Moskau-Keeper Nikolay Gontar erriet zwar die Ecke, dennoch war der Ball unerreichbar für ihn.
Nach dem Schlusspfiff ging es rund
„Die Leute sind ja nicht mehr heimgegangen, haben ewig mit uns gefeiert. Das war ein Riesenerlebnis, für den Klub ein Wahnsinnserfolg. Und für uns Spieler auch finanziell sehr lukrativ. Tommy Parits hat für uns als Spielersprecher tolle Prämien ausverhandelt – mit so einem Erfolg hat ja keiner gerechnet.“, so Robert Sara, heute, 40 Jahre danach.
Was hat die Austria damals so stark gemacht? „Wir haben schon überragende Einzelspieler gehabt, aber waren vor allem eine zusammengeschweißte Truppe – einer ist für den anderen gerannt. In jedem Trainingsspiel haben wir Vollgas gegeben, denn der Verlierer musste zahlen.“, schildert Sara, selbst gelernter Stürmer beim SV Donau Wien und einer der ersten modernen offensiven Außenverteidiger des Fußballs.
Die großen Europacupspiele wie jenes Halbfinal-Rückspiel gegen Dynamo Moskau waren die Highlights seiner Karriere. In der heimischen Liga wurde Robert Sara in dieser Zeit mit der Austria Serienmeister (1978 bis 1981). „Zu unserer besten Zeit sind die gegnerischen Klubs zu uns gekommen und wussten, dass sie mit drei bis vier Toren heimfahren werden. Die Europacupspiele gegen die ganz großen europäischen Klubs waren da natürlich ganz besondere Erlebnisse, an die ich mich heute noch gerne zurückerinnere!“, plaudert der violette Ehrenkapitän Robert Sara aus dem Nähkästchen.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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