Arena besetzt 1976, Foto: Heinz Riedler, Samlung Wien Museum
Arena besetzt 1976, Foto: Heinz Riedler, Samlung Wien Museum

Der Sommer 1976 sollte die Bundeshauptstadt Wien verändern. Am 1. August stürzte die Reichsbrücke ein, anhand dieser ein toter Wiener Linien-Busfahrer zu beklagen war. Im gleichen Zeitraum „besetzten“ zahlreiche Jugendliche, Musik-Freaks und Menschen, die sich für einen Kulturraum, gegen überteuerte Mieten und die Abrissbirne zur Wehr setzen, den alten Schlachthof zu Wien-Simmering in St. Marx. Die Haus-Besetzung „feierte“ somit in Österreich in diesen Tagen ihre Geburtsstunde.

Das WIEN MUSEUM zeigt dazu bis 12. August 2012 eine diesbezügliche Ausstellung.

Mit der Besetzung der Arena, dem ehemaligen Auslandschlachthof, startet ein „Happening der 100 Tage“, das Wien aufrüttelt und auch spaltet. Erstmals treten neue politische und gegenkulturelle Bewegungen in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit.

Arena Plakat 1976 Sammlung Wien Museum
Arena Plakat 1976 Sammlung Wien Museum

Hier, jetzt und für alle

„Die Arena-Besetzung war unser 1968, ein anarchischer Freiraum, der Energien und Fantasien freisetzte.“, so ein Aktivist von einst. Gefordert wird ein selbst verwaltetes Kulturzentrum ohne Bevormundung – und zwar „Hier, jetzt und für alle!“. Die Konfrontation ist grundlegend, radikal werden die politischen Verhältnisse in Frage gestellt: Wem gehört die Stadt? Wer bestimmt? Was ist Kultur? In St. Marx werden über drei Monate lang Basisdemokratie und das Konzept einer offenen Gesellschaft erprobt, ehe das Experiment gestoppt und das Areal doch noch geschliffen wird. Wiens damaliger Bürgermeister Leopold Gratz, als auch die Kulturstadträtin Gertrude Fröhlich-Sandner sahen sich mit einem – friedlichen – Widerstand aus der Bevölkerung konfrontiert, den die Zweite Republik nach 1945 bis dato noch nicht erlebt hatte.

„Bei uns hat´s a Sau/viel besser als a Mieter im Gemeindebau.“, raunt ein hemdsärmeliger bärtiger Mann im Zuge eines „Ohne Maulkorb“-ORF-Interviews von 1976 während der Arena-Besetzung. Das staatliche Fernsehen ist zugegen und die ORF-Kameras oftmals in diesen 100 Besetzungs-Tagen vor Ort. Man hatte es sich häuslich und gemütlich gemacht am gesamten Arena-Areal. Es gab sanitäre Anlagen, Schlafräume, Musik-Bühnen, ein Theater und die Aktivisten frönten einem friedlichen Lagerleben.

Arena Theater 1976, Foto: Burgi und Peter Hirsch, Sammlung Wien Museum
Arena Theater 1976, Foto: Burgi und Peter Hirsch, Sammlung Wien Museum

Bereits vor der Arena-Besetzung kam es in Wien zu Kämpfen gegen eine Stadtpolitik, die Fortschritt mit Abrissbirne und Beton gleichsetzt. Im abgewohnten Spittelberg-Viertel setzen sich Architekten und Intellektuelle, aber auch Jugendliche aus der Subkultur gegen Abriss und Nobelsanierung zur Wehr. Das „Amerlinghaus“ wird besetzt und nach langwierigen Verhandlungen 1978 zum ersten selbst verwalteten Kulturzentrum der Stadt. Der Protest jedoch verschärft sich. Im Burggarten demonstriert man 1980  für „Rasenfreiheit“, Hausbesetzungen folgen. Unter dem Eindruck der Jugendkrawalle von Zürich reagiert die Stadt. Sie gesteht Subventionen für die „neue“ Arena im ehemaligen Inlandsschlachthof zu, in Wien-Alsergrund entsteht das WUK/Werkstätten und Kulturhaus, in der Gassergasse ein autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum mit Werkstätten, Proberäumen und einer Alternativschule. Dieses wird jedoch nach zwei Jahren wegen Anrainerbeschwerden und Vorwürfen des Drogenmissbrauchs gewaltsam geräumt. Ein Teil der Aktivisten wechselt in den 6. Bezirk und lebt in der Aegidigasse/Spalowskygasse in alternativen  Hausgemeinschaften. Auch hier kommt es zu einem gewaltsamen Ende. 1990 wird das Ernst-Kirchweger-Haus in Favoriten besetzt, wo die Forderung nach Selbstverwaltung bis heute Platz gefunden hat.

Besetztes Amerlinghaus 1975, Foto: Karl Heinz Koller, Sammlung Wien Museum
Besetztes Amerlinghaus 1975, Foto: Karl Heinz Koller, Sammlung Wien Museum

Zahlreiche Plakate und Flugblätter, sowie eine Vielzahl an Fotos – die umfangreiche Chronik des Arena-Sommers, dokumentiert von Peter Hirsch/Arena-Photogruppe – und Fernseh-Dokumentationen finden in der Ausstellung ihren Niederschlag für die Nachwelt. Manche Aktivisten und Künstler von einst, die damals am Beginn ihrer Laufbahn und Karriere standen, werden sich anhand der Veröffentlichungen wieder finden.  Besetzer und Politiker, entweder vor Ort oder im Zuge von öffentlichen Anhörungen, kommen zu Wort und der geneigte Besucher kann sich selbst ein leb- und leibhaftiges Bild darüber machen, wie das damals abgelaufen ist. Am Ende gewinnt immer die Staatsmacht, dies ist selbst heute noch unbestritten. Dennoch wird es immer wieder Menschen geben, die teilweise friedlich, ihren Träumen, Plänen und Zielen vehement Nachdruck verleihen werden.

Was: BESETZT! Kampf um Freiräume seit den 70ern

Wo: Wien Museum, Karlsplatz

Von 12. April bis 12. August 2012

www.wienmuseum.at

www.arena.co.at/index.php

www.facebook.com/arenawien

 

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