Franz Ruhaltinger in seinem Büro in der VÖEST-Alpine in Linz. Foto: Erwin H. Aglas
Franz Ruhaltinger in seinem Büro in der VÖEST-Alpine in Linz. Foto: Erwin H. Aglas

… oder aber, das kräftige Löwen-Herz eines großen VÖEST´lers hörte für immer zu schlagen auf.

Wie am 8. Dezember 2014 bekannt wurde, verstarb Franz Ruhaltinger 87jährig in Linz. Damit verglüht eine weitere große Episode der VÖEST-Alpine aus dem Hauptwerk der Stahlstadt Linz.

Anbei ein Nachruf:

Der geeichte Sozialist Franz Ruhaltinger hatte mit dem langjährigen (von 1977 bis 1995) ÖVP-Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Josef Ratzenböck neben der Liebe zum Fußball eines gemeinsam: beide wurden in der kleinen oberösterreichiscchen Gemeinde Neukirchen am Walde geboren. Er entstammte einer zehnköpfigen Arbeiterfamilie. Nach der Pflichtschule erlernte er den Beruf eines Werkzeugschmiedes. Nach den Wirren des 2. Weltkrieges trat er 1948 als Hüttenarbeiter in das VÖEST-Walzwerk ein und wurde bald Vertrauensmann der Gewerkschaft Metall, Bergbau und Energie. Das Jahr 1959 sah ihn bereits als Abteilungs-Betriebsrat, 1972 wurde er Betriebsratsobmann und 1974 wiedergewählt.

SPÖ-Granden an einem Tisch in der VÖEST, von links: OÖ-Landeshauptmann-Stellv. Dr. Karl Grünner, ZBRO Franz Ruhalinger und SP-Sektion VÖEST Vorsitzender Alois Froschauer. Bild: OÖ-Landespresse
SPÖ-Granden an einem Tisch in der VÖEST, von links:
OÖ-Landeshauptmann-Stellv. Dr. Karl Grünner, ZBRO Franz Ruhalinger und SP-Sektion VÖEST Vorsitzender Alois Froschauer. Bild: OÖ-Landespresse

1978 war ein Erfolgsjahr für Franz Ruhaltinger – die Wahl brachte ihm den VÖEST-Zentralbetriebsratsobmann / ZBRO ein und gleichzeitig avancierte er zum Landesobmann seiner Gewerkschaft. Ein Jahr später zog er in den Nationalrat ein. Im Ausschuss der Verstaatlichten Industrie war er ein beredter Vertreter der Arbeiternehmerinteressen, wozu ihm seine jahrzehntelange Erfahrung in der VÖEST sehr zustatten kam.

Franz Ruhaltinger hatte ein gesundes, ja fast menschliches Verhältnis zur Machtbefugnis seiner Funktionen. Er setzt die ihm zustehenden Befugnisse als einer der mächtigsten Betriebsräte in Österreich in Fakten um, die ihm den Ruf als beinharter Verhandler eintrugen. Auch mit dem VÖEST-Management scheute er nie die Konfrontation und Insider wussten aus der Praxis im Werk zu berichten, dass bei Verhandlungen zwischen VÖEST-General Dkfm. Heribert Apfalter und VÖEST-ZBRO Franz Ruhaltinger oftmals die Fensterscheiben klirrten, wenn zwischen beiden Sozialleistungen ausgehandelt wurden. Apfalter und er besaßen das gleiche Naturell – Härte als persönliche Note. In Karikaturen wurden oft die Leiberl von Franz Ruhaltinger, die er trug, vorgestellt: da war einmal die oberste Betriebsratsfunktion bei der VÖEST, dazu kam der Abgeordnete zum Nationalrat, ausserdem ernannte ihn die Gewerkschaft zum obersten Gewerkschaftsboss in Oberösterreich. Nur den Arbeiterkammer-Präsidenten von Oberösterreich als Nachfolger von Josef Schmidl verfehlte er im April 1981 um drei Stimmen gegenüber seinem Gegenstreiter Fritz Freyschlag. Diese OÖ/AK-Wahl war eine echte Sensation, es wurden förmlich Mauern der Tradition eingerissen. Seit eh und je waren die Funktionen der Gewerkschaftschefs und des AK-Präsidenten in einer Hand, und seit eh und je stellten die Metallarbeiter den Präsidenten und nicht die Privatangestellten, wie es damals im April 1981 allerdings erstmals geschah. Franz Ruhaltinger jedoch zeigte sich als fairer Verlierer. Nebenbei bekleidete er auch noch die Obmann-Position in der Gebietskrankenkasse von Oberösterreich.

Der VÖEST-General ehrt seine Spitzenfunktionäre im Sport, von links: Franz Ruhaltinger, Johann Rinner und Dkfm. Heribert Apfalter. Foto: privat
Der VÖEST-General ehrt seine Spitzenfunktionäre im Sport, von links: Franz Ruhaltinger, Johann Rinner und Dkfm. Heribert Apfalter. Foto: privat

Diese Funktionsfülle spielte er sehr gekonnt herunter. Er ordnete den Funktionen einfach Arbeit zu und nicht Macht – dieses Wort schien in seinem Vokabular überhaupt nicht zu existieren. Er vertrat die Ansicht, dass diese Funktionen einfach überlappen und die eine eben die andere bedingt. Er sah es einfach so – die VÖEST ist ein Thema des Parlaments und da ist er eben VÖEST-Vertreter. Die anderen Funktionen – auch die der OÖ-Gebietskrankenkasse – passten sehr gut dazu. Um überlegend mit einer Schaufel in der Argumentation nachzulegen, dass diese Funktionen bei Verhandlungen ihm eben das nötige Gewicht verleihen würden.

Und so formulierten es einige seiner Freunde: „Wenn der „Ru“ bei einer Aufsichtsratssitzung laut wird, dann hört man es auch noch im Walzwerk.“ Und auch der seinerzeitige VÖEST-General Heribert Apfalter zollte seinem ZBRO zu, mit ihm harte Sozialkämpfe ausfechten zu müssen – wobei man dem Generaldirektor zuordnen musste, dass er die Parteipolitik vom VÖEST-Gelände ausgesperrt wissen wollte, in Sozialbelangen aber ohnehin eine weiche Ader hatte.

Franz Ruhaltinger kam, so betonte er immer wieder, von unten. Er fühlte sich stets als Arbeiter. Seine letzte Tätigkeit in der VÖEST „von Hand“ war die eines Krankführers. Den Führersitz für die Belegschaft beanspruchte er immer wieder und fühlte sich bei jeder Wahl, der er sich immer wieder stellte, bestätigt. Die Angenehmheiten seiner Funktionen – den Begriff „Multi“ hörte er gar nicht gerne – nahm er mit einer entwaffnenden Selbstverständlichkeit weniger für sich, vielmehr für seine Funktionen in Anspruch – und das spürten auch die Arbeitskollegen. Umso mehr sprudelte es in ehrlicher Überzeugung förmlich aus ihm heraus, dass er einen 14- bis 16-Stunden Arbeitstag habe und dass seine Einkünfte durch Parteisteuern, Spenden und die Aufwendungen einer zweiten Wohnung in Wien ohnedies reduziert werden würden. Im Gegensatz zu anderen Politikern hatte Franz Ruhaltinger ein gesundes Verhältnis zu seinen Einnahmen. Er verschleierte nichts und sah es als Wertung seiner Funktionen, die er mit einer geradezu beängstigenden Härte erfüllte.

Weihnachtsfeier 1980 im Gästehaus. Nach der Vorstandsrede von Dr. Dietmar Moshammer ging es zum gemütlichen Teil über. Im Vordergrund die Aktiven Manfred Mertel, Thomas Parits, Ove Flindt, Trainer Günther Praschak, Helmut Wartinger, Karl Hodits, Gerald Haider, Kurt Kaiserseder, Manfred Schill, Siegfried Bauer u.a., im Hintergrund Teile der Nachwuchs-Spieler. Beim SK VÖEST wurde feudal diniert, beim LASK gab es zu Weihnachten meistens Würsteln. Foto: privat
Weihnachtsfeier 1980 im Gästehaus. Nach der Vorstandsrede von Dr. Dietmar Moshammer ging es zum gemütlichen Teil über. Im Vordergrund die Aktiven Manfred Mertel, Thomas Parits, Ove Flindt, Trainer Günther Praschak, Helmut Wartinger, Karl Hodits, Gerald Haider, Kurt Kaiserseder, Manfred Schill, Siegfried Bauer u.a., im Hintergrund Teile der Nachwuchs-Spieler. Beim SK VÖEST wurde feudal diniert, beim LASK gab es zu Weihnachten meistens Würsteln. Foto: privat

Sein Privatleben hatte bescheidene Züge. Der Arbeitersohn aus Neukirchen am Walde wusste um die Nöte und Entbehrungen seiner Jugend. Ein Reihenhaus in der Scheibenpogenstraße im Linzer Stadtteil Spallerhof, ein Schrebergarten im Raum um Linz und ein intaktes Familienleben – das alles schätzte Franz Ruhaltinger sehr. Rührend klang sein Bekenntnis: „Ich habe eigentlich alles erreicht, was ich mir erträumt hatte. Als eines von zehn Kindern wollte ich eigentlich immer nur genug zu essen …“

Ein Hobby hatte er sich allerdings auch verwirklicht – er war von 1980/81 bis Ende 1989 geschäftsführender Präsident des SK VÖEST-Fußballklubs. Und auch hier gibt es naturgemäß zahlreiche Episoden und Geschichten. Wie es ihm beispielsweise gelang, als Obmann des Anhängerklubs „Eisen & Stahl“ in der Saison 1975/76 den erfolglosen Deutschen Coach Horst Franz abzuschießen. Der „Eisen-Ru“ berief als Anhängerklub-Obmann eine Pressekonferenz ein, anhand dieser er verlautbarte: „Ich will diesen Piefke nicht mehr als Trainer haben.“ Es rumorte gehörig im Werk. Der kompletten Vereins-Führungsetage des SK VÖEST rund um Johann Rinner und Hans Brandlmayr waren die Hände gebunden, denn der Anhängerklub galt mit seinen zigtausend Mitgliedern als Förderer und auch Geldgeber für die Fußball-Sektion. Als 1978 erstmals ernsthafte Rufe nach einem FC Linz laut wurden, bezog der Ru auch hier klar Stellung: „Für einen FC Linz ist die Rivalität zwischen LASK und VÖEST viel zu groß. Sollte sich dieser Plan dennoch einmal durchsetzen, müssten beide Vereine aufhören zu existieren, Funktionäre, Spieler und Trainer komplett ausgewechselt werden. Es müsste einfach ein völlig neuer Verein gegründet werden.“ Nun, der SK VÖEST hatte als FC Linz 1997 ohnehin von selbst zu existieren aufgehört.

Die Eheleute Ruhaltinger (links) und Rinner. Foto: privat
Die Eheleute Ruhaltinger (links) und Rinner. Foto: privat

Nach schlechten Leistungen seiner im Grunde seines Herzens über alles geliebten Fußballer polterte er oftmals lautstark von der Ehrentribüne des Linzer Stadions aus. „Wirtshaustruppe, Bad-Kicker, Frechheit was die spielen, etc.“ waren noch die höflicheren Floskeln für die blau-weißen Linzer Ballesterer. Es wurden dann auch oftmals lautstark Kabinen-Türen zugeknallt und die verdutzten Spieler blieben unwissend ob ihrer sportlichen Zukunft zurück. Bei den jährlichen Budget-Verhandlungen im Werk kämpfte der Löwe Ru allerdings jedoch wieder wie ein Löwe für seinen SK VÖEST.

Als er im Dezember 1989 seinen Hut als geschäftsführender Präsident des SK VÖEST nahm, war der Zweit-Divisionär SK VÖEST Linz unter Trainer Willi Kreuz und den gestandenen Bundesliga-Profis Johann Dihanich, Frenky Schinkels, Helmut Wartinger, Jürgen Werner, Georg Zellhofer und dergleichen im Aufstiegsrennen um die Erste Division. Der Ru ging und übergab einen bestellten Hof, wenngleich zahlreiche treue Anhänger der VÖEST-Fußballer Tränen in den Augen ob dieses Abschiedes hatten, denn für sie ging eine ruhmreiche Ära zu Ende: 40 Jahre Mitglied, 20 Jahre Funktionär, 10 Jahre Präsident des SK VÖEST, die Legende Franz Ruhaltinger trat ab und es begann eine neue Zeit-Rechnung – nicht nur im Werk, sondern auch beim Sportklub VÖEST.

Der SK VÖEST im Jänner 1981 von links: Dir. Dr. Dieter Moshammer, Kassier Bruno Sturm, Präsident Franz Ruhaltinger, Obmann a.D. Johann Rinner, Sport-Referent Jürgen Kreuzer, Dir. Ing. Hans Brandlmayr, Wilhelm Wolf, Sektions-Leiter Alfred Haider und Kassier Ewald Weissböck. Foto: privat
Der SK VÖEST im Jänner 1981 von links: Dir. Dr. Dieter Moshammer, Kassier Bruno Sturm, Präsident Franz Ruhaltinger, Obmann a.D. Johann Rinner, Sport-Referent Jürgen Kreuzer, Dir. Ing. Hans Brandlmayr, Wilhelm Wolf, Sektions-Leiter Alfred Haider und Kassier Ewald Weissböck. Foto: privat

Ich blicke mit Wehmut zurück. Jedem konnte ich es natürlich nicht recht machen, aber es war eine Freude für mich, mit jungen Menschen zu arbeiten. Wenn irgendwo ein Widerstand war, habe ich mich dagegen gestemmt. Ich war nicht der Mensch, der sich gleich umblasen ließ. Aber wenn es dem Werk schlecht ging, traf die Spieler der Ärger der Belegschaft. Dann wurde oft über Sinn und Unsinn der Fußball-Sektion diskutiert. Umso mehr freut es mich, die VÖEST auch in voller Größe zu übergeben. Ich habe einen gut geführten und finanziell abgesicherten Klub hinterlassen.“, so die berührenden Worte seiner Abschiedsrede anhand der ordentlichen Jahreshauptversammlung im Gästehaus / Werksküche der VÖEST-Alpine am Montag, 11. Dezember 1989.

Der geschäftsführende Präsident des SK VÖEST, ZBRO Franz Ruhaltinger (links) würdigt und dankt dem scheidenden Obmann Johann Rinner und wünscht diesem für den wohlverdienten Ruhestand alles Gute. So geschehen im Jänner 1981. Foto: privat
Der geschäftsführende Präsident des SK VÖEST, ZBRO Franz Ruhaltinger (links) würdigt und dankt dem scheidenden Obmann Johann Rinner und wünscht diesem für den wohlverdienten Ruhestand alles Gute. So geschehen im Jänner 1981. Foto: privat

 

Aus Anlass seinen 80. Geburtstages erschien im Jahr 2007 im Verlag Edition Geschichte der Heimat die Biografie „Vom Armenschüler zum Arbeiterführer / Ich habe ausgeteilt. Ich habe eingesteckt.“

Zur Rezension gelangen Sie bitte hier

Als im heurigen Mai sein Vorgänger beim SK VÖEST und auch jahrzehntelanger Mitstreiter um den Sportklub Johann Rinner 94jährig verstarb, weinte der Ru bitterlich. Er sollte seinem alten Weggefährten, Kumpel und Freund nur wenig Monate später nachfolgen …

 

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