Der junge Harald Juhnke am Beginn seiner großen Laufbahn. Foto: privat

„Als ich anfing, habe ich immer so gedacht: Im Frack möchtste mal auftreten und massenweise Mädchen um dich rum … Im März 1979 war es dann soweit: meine erste „Musik ist Trumpf“-Sendung lief an.“, so Harald Juhnke in seinen Lebenserinnerungen. Am 10. Juni 2019 wäre der unvergessene Schauspieler, Sänger und Entertainer 90 Jahre alt geworden.

Startschuss in Berlin

Es war nicht in Schöneberg und es war auch nicht im Wonnemonat Mai – nein, der Berliner Stadtteil hieß Charlottenburg und man schrieb Montag, den 10. Juni 1929, als Harry Heinz Herbert Juhnke das Licht der Welt, in dem er sich zeit seines Lebens bewegen sollte – im Scheinwerferlicht nämlich – erblickte.

Der Vater Herbert Hermann Heinrich stammte aus Znin und diente als Polizist, seine Mutter Margarete, kurz Grete genannt, war die Tochter eines Bäckermeisters. Beide heirateten am 14. März 1923 in Frankfurt an der Oder, der Heimatstadt von Grete.

Das junge Paar zog zwecks Familienausweitung nach Berlin und so wuchs der kleine Harald im Bezirk Wedding im Norden der Stadt, bestehend aus vielen Fabriken, zahlreichen Arbeitern und nur wenigen Angestellten, auf.

Aus Harry wurde alsbald Harald

Immer, wenn es die Zeit erlaubte, fuhr die Familie die gut 100 Kilometer von Berlin nach Frankfurt / Oder. Mutter Grete besuchte dort natürlich die Bäckerei der Eltern und der kleine Harry half kräftig mit, wenn es darum ging, die frische Ware aus dem Backhaus direkt in das Geschäft zu manövrieren. „Ich fühlte mich wie ein Artist auf dem Hochseil, als ich da die zahllosen Bleche mit der herrlich duftenden Ware immer wieder transportierte, um nicht zu sagen balancierte.“, so ein überliefertes Juhnke-Zitat aus seiner Kindheit. Für die Mutter Grete war daher der Bäckerberuf für das einzige Kind die einzig wahre Berufsergreifung. Anhand dieser Familienzusammenkünfte zu Weihnachten oder an Geburtstagen wurde Harry mehr verwöhnt, als sein ältester Cousin Harald. Auch zu Verwechslungen kam es nicht, da ja laut Taufschein Harry eben Harry war. Einige Jahre später dann, Harry Juhnke wurde nicht Bäcker und nahm bei Marlise Ludwig, eine Koryphäe unter den Schauspiellehrerinnen, Schauspielunterricht, änderte sich das. „Harry, dieser Name ist nichts für Dich, der klingt so flapsig. Und flapsig bist Du ohnehin schon genug.“, meinte Frau Ludwig. Womit sich Harry Juhnke in Harald Juhnke verwandeln sollte.

Mit so einem Gesicht wollen Sie Karriere machen?

Anfang der 1950er Jahre, Garderobe des Filmateliers Berlin-Tempelhof. Harald Juhnke, der mit einem klapprigen Fahrrad vorfuhr, wartete darauf, seinen ersten Film zu drehen. Ein Maskenbildner, der sich seines Gesichtes annahm, trat herein.

„Wohl neu hier?, fragte er.

Juhnke nickte schüchtern.

„Wie alt?“, bohrte er weiter.

„Zwanzig!“, wurde erwidert.

„Glück gehabt!“, darauf der Meister des Schminktisches.

„Wieso?“, fuhr Juhnke erschrocken auf.

„Na ja – keen Heldentod jestorben und det janze Leben noch vor sich: is doch Glück, oder?“, so der Maskenbildner.

Juhnke begriff, was der Mann meinte. Zahlreiche Jungspunde dienten wie er in der HJ (Hitler-Jugend) und wurden dabei in den letzten Kriegswochen 1945 noch sinnlos geopfert, um die reichsdeutsche Hauptstadt Berlin mit aller Gewalt zu halten, wenngleich der Zweite Weltkrieg bereits längst verloren war.

Auf der Bühne fühlte sich der gut 20-jährige Harry, Pardon, Harald Juhnke von Anbeginn an wohl. Besonders dann, als ihn ein Kritiker mit dem jungen Gérard Philipe verglich. Nun, vielleicht stimmte es ja. Juhnke erblickte sein Antlitz im Spiegel, während der Maskenbildner Rouge auf die knochigen Wangen schmierte und dachte bei sich: „Die Augen, ja, die Augen mussten es sein, die dem Zeitungsfritzen aufgefallen waren – ich stierte wie ´ne Eule! Das musste es sein. Hättense ma sonst zum Film jeholt?“

Axel von Ambesser betrat anklopfend die Garderobe. Groß, schlank, soigniert, Vierzig. Ein Herr von Adel. Juhnke erkannte ihn sogleich, da er, von Ambesser, vor den Kameras der Ufa beinahe sämtlichen Stars die Hand geküsst, zahlreiche Theaterstücke geschrieben und ihr bester Interpret war.

„Juhnke!“, löste er sich aus den Klauen des Maskenbildners vorstellend aufspringend, und machte einen Diener.

„Ach – Sie spielen den Liebheber?“ – erwiderte von Ambesser.

„Jawohl!“, freute sich Juhnke.

Der Herr von Ambesser musterte den Neuen ganz genau von oben bis unten. Als Dramatiker, der etwas von perfektem Timing versteht, musste er das wohl tun. Dann endlich noch einer schieren Unendlichkeit des Zuwartens zu Juhnke: „Merkwürdig! Sehr merkwürdig … mit so einem Gesicht wollen Sie Karriere machen?“

Eine „merkwürdige“ Karriere nahm ihren Lauf

Nachdem Harald – damals noch Harry – Juhnke sehr bald schon wusste, dass Frankfurt / Oder und das weiße und mehlige Gewand des Bäckers, sowohl das zeitige Aufstehen nichts für ihn sind, zog es ihn zum Theater. Er genoss Schauspielunterricht und stand im Jahre 1948 als 19-jähriger Jüngling auf der zerbombten Bühne im Schauspielhaus am Ostberliner Gendarmenmarkt und rief dabei lauthals in den menschenleeren Saal: „Meine Damen und Herren, hier sehen Sie Harry Juhnke, der eines Tages der berühmteste Schauspieler Deutschlands sein wird!“ 

Auf der Bühne oder vor der Kamera – 50 Jahre für sein Publikum

Harald Juhnke liebte das Rampenlicht. Dort fühlte er sich am wohlsten. Aber ein Problem – das im Übrigen sehr viele Stars, die in der Öffentlichkeit stehen, haben – verfolgte ihn sein ganzes Leben. Wenn die Show vorbei und der Auftritt aus war, wenn die Lichter ausgingen und die Leute am Nachhauseweg waren, dann war er allein, sehr allein. Er fiel in ein Loch und verfiel – sehr bald schon – dem Kumpel Alkohol. In dieser „legalen“ Droge fand er Halt, mit ihr wurde er eins und durch sie verlor er im Endeffekt immer und immer wieder den Boden unter seinen Füßen. Aber auch das zeichnete Harald Juhnke aus – er war wie eine Katze, kam immer wieder auf die Beine und stand auch immer wieder vor „seinem“ Publikum. Das er so liebte und das ihn beinahe vergötterte. Dies war allerdings auch kein Wunder, denn der Berliner hatte Witz, Charme, Humor und besaß eine ungeheure Ausstrahlungskraft, die man heutzutage bei so manchem Schauspieler schmerzlich vermisst.

Angetrieben von unbändigem Ehrgeiz verlief seine Laufbahn

1950 erhielt Juhnke sein erstes Engagement am Theater und begann im gleichen Jahr auch beim Film, der ihm in Summe über 100 Rollen einbrachte. Sehr große Popularität erreichte Juhnke in den 1970er Jahren anhand von Fernseh-Serien wie „Ein verrücktes Paar“, sowie „Ein Mann will nach oben“, die sich dann in den 1980er Jahren fortsetzte anhand von „Leute, wie du und ich“, „Drei Damen vom Grill“, sowie „Harald & Eddi“. Harald Juhnke wähnte sich am absoluten Zenit seiner Karriere, als ihm im Jahre 1979 nach dem plötzlichen Ableben von Peter Frankenfeld angeboten wurde, die populäre TV-Show „Musik ist Trumpf“ zu moderieren. Bis 1981 führte er geschickt pointiert auch durch diese erfolgreiche Fernseh-Produktion. In den letzten Jahren seiner sagenhaften Karriere wandte sich Juhnke vom Tingeltangel und Boulevard vermehrt hin zum Charakterschauspiel. Rollen wie „Der Trinker“ (1995) oder „Der Hauptmann von Köpenick“ (1997) schienen wie für ihn geschrieben. Neben seinen schauspielerischen Leistungen hatte sich Juhnke auch vermehrt einen Namen als Entertainer und als Sänger gemacht.

Juhnke´s Freund Teddy Podgorski wird Generalintendant des ORF

Eines schönen Tages des Jahres 1987 läutete bei Juhnke das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete sich die Sekretärin von Thaddäus „Teddy“ Podgorski, dem Sportchef des ORF:

„Na, Herr Juhnke, wie hamma´s, was is denn bei ihna für a Wetter?

„Na ja, ist ganz schön!“, erwiderte Juhnke.

Darauf die resche Wienerin: „Ja, bei uns scheint die Sonne. Übrigens: Der Herr Podgorski hätt´ Sie gern g´sprochen, na, Sie wer´n schauen.“ Dann die telefonische Verbindung.

Juhnke: „Ja, Teddy, grüß dich!“

Podgorski: „Servus Harald, hörst´, sitzt´? I bin Intendant, was sagst jetzt?“

Juhnke war baff und auch ein bisserl schmähstad zugleich. Nach einer kurzen Verschnaufpause gratulierte er telefonisch nach Wien in den Hörer hinein und war in gewisser Weise immer noch sprachlos. Wann bitteschön, geschieht schon das Wunder, dass ein Freund Generalintendant, Generalintendant des ORF, wird?

Podgorski fing an: „Bis du 60 (1989) bist, musst du auch in Wien sein. Am Burgtheater. Brauchst ja dei Haus in Berlin net verkaufen, kummst erst im Winter. Hier kriegst vom Theater a Palais. A Stadtpalais, Harald, am Graben, für wenig Göld. Und wennst tot bis, stellen´s dein Kopf auf in der Burg, a Statue, verstehst. Dreimal tragen´s di um die Burg. Dreimal! Welches Theater bietet Dir das noch? Dei Frau muss natürlich auch mitkommen. Und, Harald, pass auf, eines kann ich dir versprechen: Beim Curd Jürgens war´n 15.000 Leit bei der Beerdigung, bei dir wer´n a sovül sein. Du kannst alles scho vereinbaren. Der Jürgens wollt´s mit Fackeln in der Nacht. Des kannst du a haben, mit Sondergenehmigung. Die Leit wer´n kumma und schrei´n und wana und mit de Zähnd klappern, ja, Harald, und sonst? Sonst bist unter Freunden in Wean!“

Unter Freunden? Unter Freunden im Winter in Wien? Und im Sommer in Berlin! Für Harald Juhnke 1987 ein mehr als verlockender Gedanke.

Eine große Karriere endete in einer Tragödie

Der Alkohol war es zuletzt, der ihn zu Fall gebracht hatte. Nach unzähligen Exzessen und Abstürzen, gepaart mit zahlreichen Entziehungskuren, die in späterer Folge wieder mit Auftritten vor Publikum einhergingen, vernichteten am Ende Harald Juhnke sukzessive. Im Jahre 2000 hielt sich Juhnke für Dreharbeiten in Baden bei Wien auf. Nach einem alkoholischen Rückfall diagnostizierten die Ärzte eine Gedächtnisstörung, die wiederum seinen Manager Peter Wolf im Dezember 2001 zu der Presse-Erklärung kommen ließ, dass Juhnke nie mehr wieder auf der Bühne stehen würde können. Eine Rückkehr vor sein Publikum sei vollkommen ausgeschlossen. Und es war schließlich kein schlechter Witz, als Harald Juhnke just am 1. April 2005 im 76. Lebensjahr stehend seine Augen für immer schloss.

Was bleibt von Harald Juhnke

Gedenksteine in Stadtteilen von Berlin, Erinnerungstafeln an Häusern, sowie Grabinschriften am Friedhof – doch die geistige Erinnerung an einen Mann, einen Star, der für den abendlichen Smoking als Bühnen-Anzug geradezu wie geschaffen war, die ist nach wie vor allgegenwärtig. Der spitzbübische Gesichtsausdruck, der Witz und die sagenhafte Berliner Schnauze sind nach wie vor im Gedächtnis und Gehörgang zahlreicher Weggefährten, Begleiter, sowie von seinen noch zahlreicheren Anhängern und Fans verankert.

Harald Juhnke sollte auch insofern recht behalten: Ja, er wurde einer der bedeutendsten Schauspieler, aber das nicht nur in Deutschland, sondern im kompletten deutschsprachigen Raum. Er war „Der Mann für alle Fälle“, der stets „Barfuss“ ging, „oder Lackschuh“ trug, dabei „nie die goldene Mitte“ suchte, sondern „immer volles Risiko“ ging und als solcher sich auch immer wieder auf einem schmalen Grat bewegte, sein „My Way“ eben. Doch gerade auch deswegen wird er unvergessen bleiben!

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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