Abhängigkeit ist eine Krankheit, die einem sagt, dass man sie nicht hat. Einem selbst und allen anderen.

Für Autor Daniel Schreiber gehörte das Trinken viele Jahre lang wie selbstverständlich zu seiner täglichen Arbeit. Oftmals hinterfragte er sich zwar selbst, ob er nicht dabei ist, eine gefährliche Schwelle zu übertreten, doch ebenso oftmals war die Rechtfertigung dazu so greifbar wie das nächste Glas Wein. Bis ihm eines Tages glasklar wurde, dass er im Begriff ist, sein noch junges Leben komplett zu zerstören. Er suchte Hilfe auf.

Alle tun es, keiner hinterfragt es – ein kluger Blick auf den doppeldeutigen Umgang mit der salonfähigen Droge Alkohol.

Daniel Schreiber hat ein wirklich wichtiges Buch geschrieben und für diesen Mut gebührt ihm Anerkennung und Respekt. Anhand seiner persönlichen Geschichte über das Trinken erhält man ehrliche Einblicke in ein gesamtgesellschaftliches Problem, das enorme Ausmaße angenommen hat, aber dennoch sowohl von Politik und Gesellschaft sehr gerne ignoriert und totgeschwiegen wird. Es räumt auf mit Stereotypen von Alkoholikern als gescheiterte Existenzen am Rande der Gesellschaft. Das Problem ist überall in der Gesellschaft zu finden, wenn auch oft im Verborgenen oder hinter maßgeschneiderten Rechtfertigungen und Verharmlosungen. Die Folgen sind weitaus gravierender als landauf, landab zugegeben wird und genau hierin liegt die große Gefahr. Eine Sucht-Epidemie, die wissentlich und willentlich totgeschwiegen wird. Vor allem die Opfer haben unter dieser Tabuisierung zu leiden. Daniel Schreiber spricht darüber, wie der Konsum von Alkohol sein Leben bestimmte, die Phasen der Entspannung und des Hochgefühls während des Konsums, aber auch über die Tiefphasen danach und eine schleichende seelische Belastung die allgegenwärtig wurde. Diese Tabus zu brechen und vieles schonungslos offen und ehrlich im Rahmen eines Buches darzustellen und zu diskutieren, ist die große Stärke dieses Werkes.

Die Frage bleibt bestehen, warum eine Gesellschaft eine Droge gestattet und genau diejenigen stigmatisiert, die damit nicht umgehen können.

Unterfüttert wird das Ganze immer wieder mit wissenschaftlichen Erhebungen über die Auswirkungen von Alkohol. Jedoch ohne aufmüpfigen Zeigefinger, nur die Wahrheit – das genügt völlig. Sehr zu empfehlen, auch und gerade für jüngere Leser … und Trinker.

Über den Autor:

Daniel Schreiber, geboren 1977, arbeitete als Redakteur für Monopol und Cicero. Seit 2013 ist er wieder freier Autor. Seine Texte erscheinen unter anderem in der ZEIT, dem Philosophie Magazin, der Weltkunst, bei Du – das Kulturmagazin, dem Deutschlandradio Kultur und der taz. Von ihm liegt die Susan-Sontag-Biografie Geist und Glamour von 2007 vor. Er lebt und wirkt in Berlin.

NÜCHTERN

Über das Trinken und das Glück

Von Daniel Schreiber

ISBN 978-3-446-24650-8

Das Buch kann man direkt hier bestellen:

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