9783701731428„Mit dem Aberglauben ist es auch so eine Sache: Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der sein 13. Monatsgehalt zurückgegeben hat.“ – so eines von zahlreichen Muliar-Zitaten, der seine humoristischen Erzählungen stets und gerne mit dem Satz begann: „Damit ich nicht vergess`, Ihnen zu erzählen!“

Über Jahrzehnte hindurch gehörte Fritz Muliar zur allerersten Garde der österreichischen Volksschauspieler. In „Denk ich an Österreich“ zog er Bilanz. Dieses Buch ist allerdings mehr als eine Autobiografie – es ist eine kritische Liebeserklärung an ein Land, von einem Publikumsliebling, dessen Leben mit der österreichischen Geschichte untrennbar verbunden war. Er erzählt von der Zeit des Nationalsozialismus, vom Verschwinden seiner eigentlichen Wiener Heimat, der gelebten Multikulturalität und davon, wie die Grundsätze, die zur Gründung der Zweiten Republik geführt haben, auf dem Altar des Populismus geopfert wurden. Fritz Muliar spart nicht mit Kritik an Politikern, an der katholischen Kirche und nicht zuletzt an der Entwicklung des Theaters. Doch es ist eine Bilanz ohne Bitterkeit und Wehleidigkeit, sie ist vielmehr geprägt von Muliars scharfem Blick. Fritz Muliar starb nach Fertigstellung seiner Autobiografie überraschend am 4. Mai 2009 an Herzversagen. Dieses Buch ist sein Vermächtnis.

Fritz Muliar wurde am 12. Dezember 1919 in Wien geboren. Ab Mitte der 1930er Jahre war er als Kabarettist und Volksschauspieler aktiv. Muliar hatte Engagements im Raimundtheater, am Burgtheater, im Theater in der Josefstadt u.v.m. Er spielte unter anderem in Heimatfilmen, Operettenadaptionen sowie im Fernsehserien. Zahlreiche Ehrungen, wie beispielsweise die Platin Romy 2004 für sein Lebenswerk wurden ihm zuteil. Fritz Muliar verstarb am 4. Mai 2009.

oepb-Rezension:

Fritz Muliar war die Arbeit für dieses Buch „Denk ich an Österreich“ – den Titel dazu hat er übrigens selbst gewählt – das, was man eine Herzensangelegenheit nennt. Die Grundlage dafür bot eine rund 150-seitige Sammlung von kurzen Sequenzen, die Fritz Muliar dem Autor Helmuth A. Niederle zur Verfügung stellte. Und es war, als ob er seine Ende gekommen sah: Unmittelbar nach der Fertigstellung verstarb er knapp 90jährig in Wien.

Fritz Muliar war trotz – oder gerade wegen – seiner schweren Zeit im Krieg immer ein Mensch, der seinen Überzeugungen treu geblieben ist, egal um welchen Preis. Und dafür wurde er von den einen geliebt und von den anderen gehasst. „Denk ich an Österreich“ ist somit nicht nur eine Bilanz, wie es am Cover steht, sondern auch eine Art Testament, die Fritz Muliar seinem geliebten Österreich hinterlassen hat.

Der politische Teil des Buches war auch eine Abrechnung. Fritz Muliar, der bekanntlich das laut aussprach, was er sich dachte, nahm sich auch diesbezüglich kein Blatt vor den Mund, um klar und deutlich zu sagen, was er von der Politik des von ihm so geliebten Landes hielt. Er wollte jenem Land, in das er so vernarrt war, sodass er sich am liebsten in die rot weiß rote Fahne eingewickelt hätte, noch einmal nachdrücklich seine Meinung kund tun und es vor etwaigen Fehlentwicklungen warnen.

Fritz Muliar war nicht nur ein Schauspieler, der mit Leidenschaft und Verstand die kleinen Leute verkörperte, sich dabei allerdings auch nie dem Diktat eines Regisseurs unterwarf – was nicht bedeutet, dass er nicht gerne lernte – sondern auch ein unermüdlicher Kommentator unermüdlicher politischer Vorkommnisse, der wortgewaltig zu sprechen und bissig zu schreiben verstand.Was ihm natürlich immer den Ruf eines Grantlers einbrachte.

Mit diesem Buch liegt nun ein Bruchteil dessen vor, das sehr genau den Schauspieler, den politisch engagierten Österreicher und die Persönlichkeit des Menschen Fritz Muliar erkennen lässt, der trotz aller Erfolge auf den verschiedensten Ebenen noch zahlreiche Wünsche offen hatte. Wie heißt es doch so schön: „Alter schützt vor Torheit nicht!“, und das ist vielleicht ohnehin ganz gut.

Kurze Betrachtungen und Kommentare zum Theater, zu politischen Vorkommnissen, zur Berichterstattung in den Medien, zu Freunden und Bekannten die ihn auf seinem Lebensweg begleitet hatten – all das beinhaltet dieses Druckwerk. Ein großer Schauspieler und ein noch größerer Österreicher, mit stillem Humor, jedoch immer wachsam und kritisch, auch auf Formen und Ordnungen bedacht, dabei immer voll Verantwortung und Achtung des Menschen, blickte zurück. Ein herrliches Buch eines bewegten und gelebten Lebens, eine Autobiographie eines wachen Geistes und ein an längst vergangene Zeiten gemahnendes  Nachschlagewerk – absolut top und überaus lesenswert!

Denk ich an Österreich
Eine Bilanz von Fritz Muliar
Aufgezeichnet von Helmuth A. Niederle
3. Auflage 2019
272 Seiten, Format: 145 x 225
gebunden, Hardcover, mit Schutzumschlag
Erschienen bei Residenz Verlag
www.residenzverlag.com
ISBN: 978-3-7017-3142-8
zum Preis von € 22,00
 
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