Gestenreich und mit perfektem Mienenspiel ausgestattet trug Fritz Muliar – wie beispielsweise hier – jüdische Witze vor. Foto: privat / oepb

Friedrich Ludwig Stand, besser bekannt als Fritz Muliar, wurde am 12. Dezember 1919 in Wien geboren. Er kam als uneheliches Kind zur Welt und verbrachte seine ersten Lebensjahre im VII. Wiener Gemeindebezirk, in Neubau, am Brillantengrund, in der Kandlgasse 16 – Ecke Schottenfeldgasse. Seine Frau Mutter, Leopoldine Stand, arbeitete bei der Österreichischen Kontrollbank und war überzeugte Sozialdemokratin. Vater Josef Maximilian Weichselbaum war ein k. u. k. Offizier aus Tirol, der jedoch kein allzu großes Interesse an dem kleinen Friedrich zeigte. 1924 lernte die Mutter den russisch-jüdischen Juwelier Mischa Muliar kennen – und lieben – und heiratete diesen schließlich.

Jüdischer Stiefvater wird zum Vater

Der Stiefvater liebte seinen Stiefsohn sosehr, dass es für ihn geradezu eine Selbstverständlichkeit war, den kleinen Fritz in die Ehe schreiben zu lassen. So wurde aus dem Stiefvater ein Vater. Als sich der Nationalsozialismus mehr und mehr ausweitete, musste Mischa Muliar Wien und Österreich im Jahre 1938 verlassen und in die USA emigrieren. Leopoldine Muliar wurde „von Amts wegen empfohlen“, sich scheiden zu lassen, um ihre Existenz nicht aufs Spiel zu setzen. Beide, Sohn Fritz und Mutter Leopoldine er- und überlebten den Zweiten Weltkrieg (1939-45) in Wien.

Auch in späteren Jahren hörte man ihm immer wieder gerne zu. Die stimmliche Tonlage, die dazugehörige Aussprache samt passenden Gesichtszügen mit den so herrlichen Grimassen, Fritz Muliar war einer der Größten in der Österreichischen Schauspiel- und Theater-Landschaft. Foto: privat / oepb

Karriere-Beginn Mitte der 1930er Jahre

Bereits Jahre zuvor, 1936, begann Fritz Muliar mit einem Schauspielstudium und sammelte dabei mit 16 Jahren bei Stella Kadmon in deren Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“ und später auch im Wiener Kabarett „Simpl“ seine ersten Theatererfahrungen. Mit 20 Jahren dann im April 1940 der Einberufungsbefehl zur Deutschen Wehrmacht. Der junge Soldat Muliar, der in den Augen der Nazis so rein gar kein „Braver Soldat Schwejk“ war, wurde aufgrund des denunzierten und somit nachgewiesenen Verbrechens der Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt. Dieses Urteil wurde allerdings aufgrund des Schicksals- und Kriegsverlaufes – Stalingrad war Ende 1942 verloren, die Deutsche Wehrmacht auf ihrem Ostfeldzug „Barbarossa“ ins Stocken geraten, völlig aufgerieben und somit zum Rückzug gezwungen – in eine fünfjährige Haftstrafe umgewandelt und Soldat Muliar wurde in eine Strafeinheit an der Ostfront in Russland versetzt. Zum Kriegsende hin 1945 geriet er in englische Kriegsgefangenschaft.

Der Krieg ist aus, wir kommen Gott Lob nach Haus´

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lebte Fritz Muliar einige Zeit in Graz. Er war dort Schauspieler und Regisseur am Zeittheater „Der Igel“ und auch am Steirischen Landestheater engagiert. Später dann, 1946, war er als Sprecher von Radio Klagenfurt aktiv. Genau dort lernte er auch sein erste Gattin Gretl Doering kennen. Das junge Paar heiratete und aus der Ehe ging Sohn Hans hervor, der allerdings nur 44-jährig 1990 verstarb.

Kurze erste Ehe

Fritz Muliars Ehe scheiterte. Dieser Umstand ließ ihn 1949 nach Wien zurückkehren. Dort, in seiner Geburts- und Heimatstadt wieder angelangt, stürzte er sich noch mehr in seine Arbeit. Im Raimundtheater trat er als Operettenbuffo auf, im Simpl – von 1952 bis 1965 trat er an der Seite von Karl Farkas und Ernst Waldbrunn im „Simplicissimus“ – als Kabarettist auf, und als Schauspieler konnte man Fritz Muliar im Volkstheater, als auch im Theater in der Josefstadt bewundern. 1955 dann die zweite Eheschließung. Die erste österreichische Fernsehsprecherin Franziska Kalmar gab Fritz Muliar das JA-Wort. Aus dieser Ehe entstammen die beiden Söhne Alexander (* 1957) und Martin (* 1959).

Leib und Seele-Schauspieler für sein Publikum

Wie bereits erwähnt beförderte die vielseitig angelegte Karriere Fritz Muliar als Kabarettist, Schauspieler, Erzähler, Regisseur und Komiker auf die größten und bekanntesten Bühnen Wiens. 1974 wurde er als Mitglied ans Burgtheater engagiert, das er 1987 – Claus Peymann war zu dieser Zeit der Leiter dort – wieder verließ und in die Josefstadt zurückkehrte. Diesem altehrwürdigen Haus im VIII. Wiener Gemeindebezirk blieb Fritz Muliar zeitlebens als aktives Ensemblemitglied treu ergeben.

Auch auf der Kino-Leindwand erfolgreich

Neben seiner vielseitigen Arbeit auf „Den Brettern, die die Welt bedeuten“, wirkte und spielte Fritz Muliar auch sehr gekonnt in gut 100 Filmen mit. Ebenso in und an einigen Fernsehserien war er ganz maßgeblich beteiligt und vertreten. Gerade „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ aus dem Jahre 1960 machten ihn im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt, beliebt und somit natürlich auch über die österreichischen Landesgrenzen hinaus berühmt.

Der Witz – Die letzte Waffe der Wehrlosen

Eine ganz eigene Geschichte war jedoch jene von Fritz Muliar und dem jüdischen Witz. Zahlreiche dieser Witze wären ohne die vorherige Kenntnis ihres oftmals tragischen, historischen und kulturellen Hintergrundes nicht zu verstehen. Einige davon stellen gleich die gesamte menschliche Situation in Frage und lassen damit traurige Widersprüchlichkeiten des Daseins deutlich werden. Eines jedoch schimmert in den bitter-komischen Lebensweisheiten immer wieder aufs Neue durch: die Hoffnung auf Besserung, auf ein gerechtes und somit glücklicheres Leben.

Damit ich nicht vergesse, Ihnen zu erzählen – Der jüdische Witz

Über Fritz Muliar hieß es, er „photographiere mit den Ohren“. Denn der vielleicht populärste Schauspieler und Kabarettist Österreichs besaß die besondere Fähigkeit, das Charakterische in der Redeweise eines Menschen genau heraushören und somit perfekt wiedergeben zu können. Er vermochte damit eine Vielzahl von Jargons und Dialekten naturgetreu zu imitieren. Insbesondere im Wienern, Böhmakeln und Jiddeln war er eine einzigartige Koryphäe. Mit dem Erzählen jüdischer Witze begann er bereits wenige Jahre nach Kriegsende.

Fritz Muliar, kaum 30 Jahre alt und noch ein junger Mann, schlug sich Ende der 1940er Jahre als Conférencier im Wiener Kabarett „Moulin Rouge“ durch und entdeckte dabei den jüdischen Humor für sein Unterhaltungsprogramm. Er kannte und liebte sämtliche Witze noch aus seiner Kindheit. Sein jüdischer, aus Osteuropa stammender Stiefvater hatte ihm diese übermittelt. Die gekonnte Mischung aus Witz, Melancholie, Unverfrorenheit, Weisheit, Trauer und Menschlichkeit kam auch beim Publikum sehr gut an. Die Leute zerkugelten sich vor Lachen. Und tun dies genau genommen heute noch, umso mehr, da diese Witze so herrlich zeitlos sind.

Muliar lieferte hunderte dieser heiteren Vortragsabende mit jüdischen Witzen ab. Er war dabei stets der wahre Meister der Erzählkunst. „Er hat als einer der ganz Wenigen erfasst, dass das Internationale, das Universelle, das Völkerverbindende des Witzes nicht die Pointe ist, sondern die Gattung Mensch, die hinter der Pointe steht.“, so der österreichische Sänger und Dichter Georg Kreisler. Und der musste es wissen, da Kreisler selbst auch Kabarettist und Wiener Schmähbruder allererster Güte war.

Muliar contra Juhnke

„Ich bin mir wirklich zu schade, den Reifenhalter für Herrn Juhnke zu spielen.“ Mit dieser zündenden Aussage unterstrich Fritz Muliar seine Absage bei einer Harald Juhnke-Show „Willkommen im Club“ vom April 1986. Die TV-Aufzeichnung erfolgte in Berlin und der Erz-Wiener Fritz Muliar sollte mit dem Ur-Berliner Harald Juhnke eine Doppelconférence nach dem klassischen Faraks-Waldbrunn-Vorbild bestreiten. Doch die beiden – heute würde man wohl Alphatiere dazu sagen – Granden der Komik wurden sich nicht einig darüber, wer den „Gescheiten“ und wer den „Blöden“ spielen sollte. „Wie schon ein berühmter Kollege sagte: Ich halte gern den Reifen, doch nicht, wenn ein Mäuslein durchspringt. Ich habe den Herren vom SFB (Sender Freies Berlin) angeboten, das Kometenlied zu singen, doch dann würde die Sendung zu lang. Trockene Texte zu sprechen und Stichworte für Herrn Juhnke zu liefern, das ist mir zu wenig.“, so Fritz Muliar, der dankend ablehnte.

Ehre durch Bruno Kreisky

Der österreichische Bundeskanzler a.D. war nur noch ein kranker und gebrechlicher Altkanzler. Dr. Bruno Kreisky war geschwächt und man wusste, dass es mit seinem Ableben nicht mehr allzu lange dauern würde. Fritz Muliar war in der Armbrustergasse zum Abendessen eingeladen. Kreisky, der nur mehr wenig aß und noch weniger sprach, bemerkte zuerst seinen Gast gar nicht. Erst als es hieß, der Altkanzler sei müde, man solle sich doch jetzt verabschieden, reichte Muliar Kreisky die Hand. Dieser sammelte seine ganze letzte Kraft, umarmte Muliar vorsichtig und flüsterte diesem ins Ohr: „Du warst immer ein guter Freund und lachen habe ich auch über Dich können. Alles Gute.“ Wenige Tage später, am 29. Juli 1990, war Dr. Bruno Kreisky 79-jährig verstorben. Einen guten, wahren und intelligenten Freund zeitlebens zum Lachen gebracht zu haben, dieser Umstand war für Fritz Muliar mehr wert, als all seine Auszeichnungen und Würdigungen, die er im Laufe seiner langen Karriere erhalten hatte.

Schauspieler für sein Publikum … bis zum Letzten Akt

Nachdem Fritz Muliar – der auch zuletzt immer wieder die Herausforderung suchte und für den es geradezu eine Selbstverständlichkeit darstellte, auch noch im hohen Alter auf der Bühne zu stehen und für sein Publikum zu spielen – am Sonntag, 3. Mai 2009 das allerletzte Mal auf der Bühne im Theater in der Josefstadt stand, sein letzter Applaus verklungen war und der letzte Vorhang fiel, brach er in der Nacht zum Montag, 4. Mai 2009, in seiner Wohnung zusammen und verstarb 89-jährig im AKH Wien.

„Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass alles mit allem zusammenhängt, dass Privatleben und Politik untrennbar miteinander verbunden sind, wenn einem das auch zum Zeitpunkt des jeweiligen Geschehens nicht immer bewusst ist.“, so Fritz Muliar.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

Bitte beachten Sie in diesem Fall auch jene Fritz Muliar-Buchrezension bei uns;

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