In der Spielzeit 2012/13 war der Anno 1901 gegründete 1. Simmeringer Sport-Club noch in der dritthöchsten Leistungsstufe des österreichischen Fußballs – in der Regionalliga Ost – beheimatet. Entgegen dem Jahr zuvor, als man mit einem fulminanten Frühjahrs-Endspurt, beispielsweise mit tollen Erfolgen beim „um die Ecke“-Derby in SV Schwechat, (von der Simmeringer Had nach Rannersdorf fährt man 5 Minuten) als auch gegen den Wiener Sportklub, den Klassenerhalt in der Regionalliga schaffte, gelang dieser Husarenritt den Schwarz-Roten aus dem 11. Wiener Hieb 2013 erneut leider nicht mehr und man stieg sang und klanglos wieder in die Wiener Stadtliga ab. Darüber hinaus hatte man einige „kolportierte finanzielle“ Probleme. Die Konsequenz daraus? „Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation des Vereins beschloss der Vorstand, ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beim Handelsgericht Wien anzumelden.“, so Vereinsboss Miroslav Sraihans. Dies war mit ein Grund, warum es im abgelaufenen Herbst auch in der Stadtliga sportlich nicht allzu rosig lief. Und dennoch warf man die Flinte nicht ins Korn!

Generaldirektor und Fußball-Mäzen Gerhard Marischka (links), sowie 1. SSC-Obmann Mirko Sraihans. Foto: privat

„Am 19. November 2013 wurde in der Gläubigerversammlung auf Empfehlung des Sanierungsverwalters der 30prozentige Ausgleich einstimmig angenommen und bereits am 10. Dezember wurde die erste Rate beim Sanierungsverwalter deponiert. Dank des unermüdlichen Einsatzes von Dr. Leopold Specht konnte diese Barquote pünktlich hinterlegt werden.“, erläutert ISS Central Europe Holding GmbHGeneraldirektor Gerhard Marischka, Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens der Republik Österreich und seit einem Jahr beim 1. SSC als Beirat in beratender Funktion tätig. Diese Maßnahme hatte natürlich auch einschneidende Auswirkungen auf den sportlichen Bereich. „Routinierte Spieler konnte und wollte sich der Klub nicht mehr leisten und man baute daher auf eine junge und hungrige Truppe, der es aber leider komplett an Wiener Liga-Erfahrung fehlte. Es konnte zwar heuer bisher nur ein einziger magerer Punkt in 15 Herbst-Runden erzielt werden, allerdings errang der Verein den größten Sieg mit dem Ausgleich.“, so ein sichtlich erleichterter Mirko Sraihans, der seit vielen Jahren mit seinen emsigen Helferleins um die Geschicke und stete Fortführung dieser österreichischen Traditionsmannschaft bemüht ist.

Unter der Leitung der Herren Leopold Specht und Gerhard Marischka wurde eine Unternehmerplattform – unterstützt von den Sponsoren ÖBB, Austro-Control, ISS Facility Services, Flughafen Wien, Sigron Handels-GmbH, SANAG-Sanierungs-GmbH und Baumeister Denk – installiert, mit der Zielsetzung: „Unsere Vereinsphilosophie basiert auf Nachwuchsarbeit, Integration und Ausbildung.“, so Gerhard Marischka. „Aufbauend auf der hervorragenden Nachwuchsarbeit wurde für die Rückrunde 2014 eine junge schlagkräftige Mannschaft unter der sportlichen Leitung von Heino Gebauer und Christian Neckamm gebildet. Mit dieser Mannschaft starten wir die Aktion „mission impossible“. Das heißt, dass wir das Unmögliche noch möglich machen wollen – den Klassenerhalt zu schaffen“, so Obmann Mirko Sraihans.

Die Simmeringer Had, wie man sie heutzutage kennt. Foto: oepb

Und in der Tat! Die Nachwuchsarbeit bei einem der ältesten und immer noch aktiven österreichischen Fußball-Vereine kann sich durchwegs sehen lassen. Nach dem Herbstdurchgang liegt der Klub in der Gesamtwertung der WFV/Wiener Liga auf dem ausgezeichneten dritten Platz. Lediglich fünf Punkte hinter Tabellenführer First Vienna FC liegend. Mit dem Abstand besten Torverhältnis (+ 88). „Sowohl im Kinder- als auch im Jugendbereich werden die Kleinen von gut ausgebildeten Nachwuchstrainern betreut und behutsam für die Kampfmannschaft aufgebaut.“, so Mirko Sraihans. „Wir forcieren den Kontakt zu den Eltern, Freunden und ehemaligen Spielern des 1. Simmeringer Sport-Clubs. Wie etwa bei der kommenden Informationsveranstaltung am 22. Februar 2014 in der Sportkantine unseres Vereins.“ ergänzt abschließend der Sport-Mäzen Gerhard Marischka.

Und so lebt auf der Simmeringer Had, Simmeringer Hauptstrasse 213, 1110 Wien, die Geschichte nach wie vor und Dank der Aktivitäten dieser hier geschilderten Herren werden die Schwarz-Roten auch in Zukunft dem runden Leder hinterher jagen können und all ihre Kräfte in den Nachwuchs und auf die Integration setzen. Ein vermehrter Besuch bei einem Match wäre mit dem ersten Heimspiel in der dritten Frühjahrsrunde am 15. März 2014 um 15.30 Uhr gegen SR Donaufeld möglich.

Dank des zahlreich erschienen Sportklub-Anhangs bewegte man sich im Frühjahr 2012 beim 3 : 0-Erfolg knapp im vierstelligen Zuschauer-Bereich. Foto: oepb

Zur bewegten und gelebten Geschichte:

Wien um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert: Die Stadt als Hauptstadt der k.u.k. Donaumonarchie zählte über 2 Millionen Einwohner. Nach der Stadterweiterung in den Jahren 1890-92 kam es zu einer Verdrängung der sozialen Unterschichten in die Rand- und Aussenbezirke. Dort waren die großen Industriezentren angesiedelt. Ausserhalb des Gürtels an der Mariahilfer Straße befand sich das Zentrum der Textilindustrie, in Meidling stand die Metall- und Maschinenfabrikation. Favoriten gehörte den so genannten „Ziegelbehm“, in Anlehnung an die zahlreichen böhmischen Arbeiter der Wienerberger-Ziegelei. Floridsdorf galt als „glänzendste Industriestätte des Reiches“ und last but not least in Simmering war die Schwerindustrie angesiedelt. „Simmering liegt in den enteren Gründ´!“ – so ein volksmundiger Ausspruch der Wiener, den Vergleich mit dem schier unendlichen Wiesengebiet der Simmeringer Haide (oder auch Had) suchend. Der Bezirk zählte für die Wiener Bevölkerung zur Provinz. Und dennoch kam es in dieser provinzialisch wirkenden Vorstadt zum größten Massenaufkommen, das Wien je gesehen hatte: am 23. September 1909 pilgerten geschätzte 300.000 Zuschauer auf die Simmeringer Had, um den Flug des berühmten Franzosen Louis Bleriot (er überquerte im Juli des gleichen Jahres als erster Mensch den Ärmelkanal) bestaunen zu können. Der Kaiser, als auch die gesamte Regierung waren vertreten, der Eintritt kostete eine Krone, gleichbedeutend der halbe Tagesverdienst eines Arbeiters.

Trotz strahlendem Herbst-Wetter waren am 28. September 2013 kaum Besucher auf der Had. 1 : 3 gegen Post SV. Foto: oepb

Sieben Jahre zuvor, am 8. März 1902, wurde unter gefälliger Mitwirkung des Humanistischen Gesellschafts-Vereins „Simmeringer Bühnenfreunde“ zum 1. Gründungs-Fest in den kleinen Brauhaus-Saal Simmering geladen. Mitglieder-Aufnahmen – so stand es im Fest-Programm – für den „I. S. S. C“ jeden Donnerstag von 8 bis 10 Uhr abends im Clublokal, Cafe Syrowatka, Wien, XI., Simmeringer Hauptstrasse Nr. 121. Und so nahm die Geschichte der Schwarz-Roten ihren Lauf. Man gehörte demnach bereits in der Urzeit des Österreichischen Fußballs der 1. Liga an. Im allerersten Spieljahr 1911/12 belegte man in der Beletage den 5. Tabellenrang. Im Jahre 1925/26 wurde man Dritter, gleichbedeutend war dies der größte Erfolg in der langjährigen Vereinsgeschichte. In Summe spielte das Team 35 Saisonen im Oberhaus, wobei die letzte Teilnahme daran – 1982/83 – freilich auch schon wieder über 30 Jahre zurückliegt. Ein aufstrebender Jungspund namens Anton „Toni“ Polster war im Frühjahr 1982 mit zahlreichen Volltreffern maßgeblich am bisher letzten Aufstieg der Simmeringer beteiligt. Der Klub brachte große Spieler hervor: Ferdinand Swatosch, Hans Horvath, Franz Dumser, Karl Cart, Hans Kliwitsch, Rudolf Viertl, August Starek, Rudolf Flögel, Ernst Dokupil und andere. Aber auch das kongeniale Betreuer-Duo in der Zeit nach 1945, Sektionsleiter Josef „Pepi“ Argauer und Trainer Hans Hofstätter, sorgte mit teilweise sehens- und beachtenswerten Resultaten gegen die Wiener Groß-Klubs laufend für Überraschungen. Pepi Argauer avancierte auch zu einem der erfolgreichsten Österreichischen Teamchefs – oder gleich anderes ausgedrückt: der Wiener und österreichische Fußball wäre ohne den 1. SSC undenkbar gewesen. In jenen Jahren, als es noch keinen Europapokal gab, eilte Simmering von Tournee zu Tournee. So war der Verein stets gern gesehener Gast in Holland, Frankreich, England, Ungarn, Schweden, Deutschland, Monaco und dergleichen. Die Schwarz-Roten vertraten die österreichischen Farben oftmals überaus erfolgreich im Ausland.

Und auch die jeweiligen Sportplätze haben ihre Geschichten. So begann der ballesterische Werdegang des Jahres 1901 wahrhaftig auf einer Heide. Am Fuße der heute noch bekannten und zu Wohnungen umgewandelten Gasometer war der erste Platz, der als Wiesen-Spielstätte diente. Tore gab es keine, die Torpfosten brachte man kurzerhand von zu Hause mit. Aufgrund des wachsenden Zuschauer-Zuspruches wurde die „Ur-Had“ naturgemäß bald zu klein, eine größere Spielstätte musste her. Nach dem Spatenstich im Herbst 1919 wurde die „II. Had“ im Mai 1920 mit dem Spiel gegen die Amateure (heutige Wiener Austria) eingeweiht. 15.000 Zuschauer bejubelten einen 1 : 0-Sieg der Heimischen. Als Sternstunde der II. Had zählt gewiss der 26. September 1920. Die Österreichische Nationalmannschaft schlug die Deutsche Auswahl mit 3 : 2 vor geschätzten 35.000 Besuchern, wobei der Simmeringer Sturmtank Ferdl Swatosch alle drei Tore scorte. Dass die Leute schier aus dem Häuschen waren und ihren Simmeringer auf den Schultern vom Platz trugen, versteht sich wohl von selbst. In dieser Tonart ging es weiter. Im November 1924 gastierte das Königreich Schweden anhand eines Länderspieles in Wien, 40.000 Anhänger waren auf der Had Zeuge eines 1 : 1. Mit dem Aufstieg des „Österreichischen Wunderteams“ unter Verbands-Kapitän Hugo Meisl, der natürlich auch auf die Dienste von Simmering-Akteuren – Franz Dumser, Rudolf Viertel, etc. – zurückgriff, wurde die Had schlichtweg zu klein, die Länderspiele fanden auf der Hohen Warte in Döbling statt, das Prater-Stadion (seit 1993 nach Ernst Happel benannt) wurde erst gegen Ende der 1920er Jahre, die Einweihung fand 1931 statt, errichtet. In diesen Jahren wurde plötzlich der finanzielle mit dem sportlichen Niedergang gespielte Doppelpass vollzogen. Es blieben die Besucher aus, das Team stieg ab und konnte den Platz nicht mehr erhalten. 1931 wurde die Anlage, die dem Verfall preisgegeben war, an die Sportvereinigung der Feuerwehr verschachert. In den Jahren 1966 bis 1968 ging es dem Areal an den Kragen. Die Had wurde weiter verkauft und in unseren Tagen erinnert absolut nichts mehr an sie. Heute befinden sich auf ihr die zahlreichen Brücken-Pfeiler der Gürtelabfahrt der Südost-Tangente.

Die Mannen des 1. SSC zogen demnach weiter und wurden an jenem Standort fündig, der heute noch als Simmeringer Sportplatz bekannt ist.  Die „III. Had“ beherbergte am 23. Oktober 1982 beim Match gegen RAPID Wien (1 : 4) über 8.000 Zuschauer. Eine Kulisse, die selbst am 11. April 2000 nicht mehrt erreicht werden konnte – als nämlich Toni Polster mit Austria Salzburg anlässlich des ÖFB-Cup-Achtelfinalspieles an alter Wirkungsstätte auftrat, waren immerhin 5.000 Leute da.

Und so schließt sich der Kreis. Volksmund-Sprüchen wie: „Auf der Simmeringer Had’, hat’s an Schneider verwaht.“, in Anlehnung an ein Lied über einen ungarischen Schneider Janos Libeny nach einem misslungenen Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. im Jahre 1853, oder aber durch Helmut Qualtingers bereits zu Lebzeiten legendäres: „Simmering gegen Kapfenberg, das ist Brutalität.“, basierend auf der Tatsache eines Match-Besuches des jungen Kabarettisten in Simmering am 12. Oktober 1958, als er gemeinsam mit 4.000 Zuschauern Zeit-Zeuge eines Zusammenpralls zwischen Helmut Hauberger (Kapfenberger SV) mit dem Simmeringer Keeper Bruno Engelmeier mit der späteren Diagnose Beinbruch wurde, erlangte der Verein stets Berühmtheit. Gestandene Alt-Simmeringer schildern heute noch gerne detailgetreu jenen August-Tag des Jahres 1973, als man als Aufsteiger im ersten Saison-Heimspiel Admira/Wacker mit 7 : 1 von der Had fegte. Ernst Dokupil trat damals als dreifacher Torschütze in Erscheinung. Dem Klub stand aber auch seit je her in seiner Geschichte das finanzielle Wasser bis zum Hals, man rappelte sich allerdings bis in die heutigen Tage wie ein Stehaufmanderl immer wieder aufs Neue auf. Gott Lob bis in die aktuelle Gegenwart …

Auf, dass der legendäre Schlachtruf: “Si-, Si-, Simmering!” auch weiterhin bis weit über die Grenzen des 11. Wiener Gemeindebezirkes hinaus lautstark hörbar bleiben wird.

Quelle: oepb

www.simmeringer-sc.at

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