Am 12. November 1918 erfolgte die Ausrufung der Republik Deutschösterreich vor dem Parlament in Wien. Unser aller heute bekanntes und geliebtes Österreich ward damit geboren. Foto: ÖNB

Die Republik Österreich feiert heute ihren Geburtstag! Der Weg dorthin war steinig und blutig zugleich. Nichtsdestotrotz ist Österreich heute wieder ein friedlicher Vielvölkerstaat, der er – ein Vielvölkerstaat nämlich mit knapp 52 Millionen Einwohnern – in der Habsburger Monarchie Jahrhunderte lang bereits war. Lesen Sie bitte hier, wie es vor über 100 Jahren zur Ausrufung der Republik kam:

Die Ereignisse des 12. November 1918

Um 15 Uhr begann die Sitzung der provisorischen Nationalversammlung im Wiener Parlament, dem ehemaligen Reichsratsgebäude. Der am Vortag vom Staatsrat unter Vorsitz des Prälaten Johann Hauser angenommene Gesetzentwurf für die Ausrufung der Republik wurde einstimmig verabschiedet.

Der Abgeordnete Wilhelm Miklas erklärte für die Christlichsoziale Partei, man hätte zwar lieber einer Volksabstimmung den Vorzug gegeben, um über den Fortbestand der Monarchie zu entscheiden, wolle aber doch „die Einigkeit in diesem geschichtlichen Augenblick nicht stören“.

Am Vortag hatten Miklas und zwei weitere Christlichsoziale noch gegen das Wort „Republik“ und Miklas selbst gegen Artikel 2 in dem von dem Sozialdemokraten Karl Renner ausgearbeiteten Gesetzentwurf  gestimmt, in dem es wortwörtlich hieß: „Art. 1: Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volk engesetzt. Art. 2: Deutschösterreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik.“ 

Um 15.55 Uhr gab Präsident Karl Dinghofer von der Rampe des Parlaments in Wien mit überaus deutlich vernehmbarer Stimme den Gesetzentwurf für die Gründung der „Republik Deutschösterreich“ bekannt. Zehntausende Menschen fanden sich auf der Wiener Ringstraße ein, um diesen historischen Augenblick mitzuerleben. Plötzlich stürzten sich mehrere Rotgardisten auf die zu den Fahnenstangen eilenden Parlamentsdiener, brachten die rot-weiß-rote Fahne der neuen Republik in ihre Gewalt, rissen den weißen Mittelstreifen heraus und forderten lautstark die Gründung einer „Sozialen Republik“.

Plötzlich in diese Tumulte hinein fiel ein Schuss. Es blieb ungeklärt von wo. Das schnelle Herablassen der Rollbalken an den Fenstern des Parlaments klang wie Maschinengewehrfeuer. Daraufhin entstanden Tumulte auf der Straße und eine Schießerei, die 2 Tote und 40 Verletzte gefordert hatte. Die „Roten Garden“, die auf eine Solidarisierung der Massen gehofft hatten, blieben isoliert. Der Putschversuch, über den es bereits am Vortag Gerüchte gab, scheiterte „an allen Fronten“.

Dass die Ereignisse vor dem Parlament in Wien nicht isoliert zu betrachten waren, zeigte die gleichzeitige Aktion von Rotgardisten und kaisertreuen „Deutschmeistern“, die um 17.15 Uhr das Redaktionsgebäude der „Neuen Freien Presse von 1848“ in der Fichtegasse besetzten und ein Flugblatt verbreiteten, in dem geschrieben stand: „Vor dem Parlamentsgebäude wurde heute Nachmittag die soziale Republik ausgerufen … In Ausführung dieses Beschlusses der Kommunistischen Partei wurde heute Nachmittag des Redaktionsgebäude der „Neuen Freien Presse“ besetzt.“ 

Ein weiteres Flugblatt verkündete am gleichen Abend folgende Botschaft: „Wir haben Euch gezeigt, dass es nur an Euch liegt, die ganze politische und wirtschaftliche Macht sofort in Eure Hände zu nehmen.“

Am 13. November 1918 hieß es in der KPÖ-Zeitung „Weckruf“: „Die Massen … bestätigen vollkommen die Überzeugung, dass der Zeitpunkt gekommen war, um auch hier die sozialistische Republik zu proklamieren.“

Die noch sehr junge Republik „Deutschösterreich“ hatte ihre erste Bewährungsprobe bestanden. Für eine sozialistische Revolution, die Ausrufung einer Sowjetrepublik fehlte es in Österreich – trotz einer zweifellos vorhandenen revolutionären Stimmung in der Arbeiterschaft vor allem Wiens – an einer gut organisierten Kraft; die Kommunistische Partei, die Volkswehr und die Roten Garden sind ausnahmslos Gründungen erst der letzten beiden Wochen.

An das Volk von Deutschösterreich

Am 12. November 1918 veröffentlichte die „provisorische Nationalversammlung“ einen von Staatskanzler Karl Renner verfassten Aufruf an das Volk, in dem es unter anderem hieß:

Die durch das gleiche Stimmrecht aller Bürger berufenen Vertreter des Volkes von Deutschösterreich haben in der Provisorischen Nationalversammlung unter den freigewählten Präsidenten vereinigt und beraten durch die von der Volksvertretung eingesetzten verantwortlichen Behörden den Beschluss gefasst, den Staat Deutschösterreich als Republik, das ist als freier Volksstaat, einzurichten, dessen Gesetze vom Volk ausgehen und dessen Behörden ohne Ausnahmen durch die Vertreter des Volkes eingesetzt werden. Zugleich hat die provisorische Nationalversammlung beschlossen, ihre Vollmachten unverzüglich, sobald die nötigen Vorkehrungen getroffen sind, in die Hände des Volkes zurückzulegen. Im Monat Jänner wird das gesamte Volk, Männer und Frauen, zur Wahl schreiten und sein äußeres Schicksal wie seine innere Ordnung allein, frei und unabhängig bestimmen. Was dieses vom Unglück heimgesuchte, schwergeprüfte Volk seit den Tagen von 1848 immer begehrt, was ihm die Mächte des Rückschrittes ebenso hartnäckig wie kurzsichtig versagt haben, das ist nun inmitten des allgemeinen Zusammenbruches der alten Einrichtungen glücklich errungen. Wir stellen die Volksfreiheit unter den Schutz der gesamten Bevölkerung! Wir fordern Euch auf, bereit zu sein, Eure Rechte, Eure Freiheiten, Eure Zukunft mit der Tatkraft, aber auch mit der Besonnenheit und Klugheit eines freien Volkes selbst zu wahren und zu beschirmen. Jetzt, da die Freiheit gesichert ist, ist es erste Pflicht, die staatsbürgerliche Ordnung und das wirtschaftliche Leben wiederherzustellen. Der neue Staat hat ein Trümmerfeld übernommen …!“

Vom Vielvölkerstaat zur Republik

Mit der militärischen Niederlage der k.u.k. Armee im „Großen Krieg“ (heute als Erster Weltkrieg von 1914-18 bekannt) ging einher der vollkommene Zusammenbruch des Habsburger Reiches, dessen nichtdeutsche Völker nicht mehr nur Autonomie, sondern staatliche Selbstständigkeit forderten. Am 26. September 1918 proklamierte der tschechische Nationalrat in Paris die Errichtung eines selbstständigen Staates. Tomas Masaryk wurde erster Staatspräsident, Eduard Benes erster Außenminister der am 28. Oktober in Prag ausgerufenen „Tschechoslowakischen Republik“. Am 6. November bildeten die österreichischen Kroaten, Serben und Slowenen in Agram (Zagreb) einen eigenen Nationalrat und erklärten am 29. Oktober den Zusammenschluss der südslawischen Gebiete zu einem unabhängigen Staat mit Anschluss an Serbien. Der drohende Zerfall des Reiches veranlasste Kaiser Karl I. am 16. Oktober 1918 zur Veröffentlichung eines sogenannten Völkermanifestes, das den angesichts der politischen Entwicklung zu späten Entschluss enthielt, die k.u.k. Monarchie in einen Bundesstaat umzuwandeln, „in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedlungsgebiete sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet.“ Die „provisorische Nationalversammlung“ beschloss nach dem Rückzug des Kaisers in ihrer Sitzung am 12. November 1918, dass alle Länder, die freiwillig ihren Beitritt zur „Republik Deutschösterreich“ erklären, von der Republik beansprucht werden sollen.

Der Verzicht Kaiser Karls I. – An Meine getreuen österreichischen Völker!

„Seit Meiner Thronbesteigung war Ich unablässig bemüht, Meine Völker aus den Schrecknissen des Krieges herauszuführen, an dessen Ausbruch Ich keinerlei Schuld trage. Ich habe nicht gezögert, das verfassungsmäßige Leben wieder herzustellen, und habe den Völkern den Weg zu ihrer selbstständigen staatlichen Entwicklung eröffnet. Nach wie vor von unwandelbarer Liebe für alle Meine Völker erfüllt, will Ich ihrer freien Entfaltung Meine Person nicht als Hindernis entgegenstellen. Im voraus erkenne ich die Entscheidung an, die Deutschösterreich über seine künftige Staatsform trifft. Das Volk hat durch seine Vertreter die Regierung übernommen. Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften … !“

Nach dem Ende kam der Anfang

Somit fand die über 630 Jahre lang andauernde Habsburger-Monarchie in Österreich ihr unrühmliches Ende. Der einstige Vielvölkerstaat – in der Mitte und somit im Herzen Europas gelegen – mit seiner Welt- und Kaiserstadt Wien und den zirka 52 Millionen Einwohnern zerfiel mit dem Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye vom 10. November 1919 in sämtliche Einzelteile auf den heute bekannten „Kleinstaat“. „Der Rest ist Österreich!“ ist nicht nur der Ausspruch, den man dem französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau zuschreibt, sondern auch die deprimierende Erkenntnis der rot-weiß-roten Bevölkerung.

„Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ – „Kriege führen mögen andere,
du, glückliches Österreich, heirate.“

Dieser geschichtsträchtige Ausspruch wird immer wieder gerne dann zitiert, wenn der Aufstieg der Habsburger durch erfolgreiche Heiratspolitik dargestellt werden soll. Die jungen Erzherzoge und Erzherzoginnen wurden häufig bereits im Kindesalter mit Mitgliedern anderer Dynastien oder aber auch sogar mit den Angehörigen der eigenen Familie vermählt.

Kaiser Maximilian I. galt als erfolgreichster Protagonist dieser Politik: Burgund, Spanien, Böhmen und Ungarn wurden mit den Hochzeiten Maximilians I., Philipps des Schönen und Ferdinands I. für die Dynastie gewonnen. Der Spruch verschleiert aber die vielen Zufälle, die diesen habsburgischen Aufstieg ermöglichten – und auch die Tatsache, dass der Machtgewinn keineswegs immer unblutig ablief. Neben Hochzeiten waren Kriege ein ebenso wichtiger Teil der habsburgischen Politik.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch diesen Artikel bei uns

Back to Top